Keine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verursachung eines chronischen Erschöpfungssyndroms (chronic fatigue syndrome - CFS) durch Impfungen gegen Hepatitis A und Schweinegrippe (H1N1)



Landessozialgericht für das Saarland 5. Senat
  17.11.2021
  L 5 VE 7/17
Juris


Leitsatz

Die Anhaltspunkte nennen Regelfälle, in denen die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt anzusehen sind. Sie bestimmen damit zugleich den Maßstab, nach dem im Einzelfall zu beurteilen ist, ob dort nicht genannte Behinderungen die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigen.


Tatbestand

Im Streit steht die Feststellung eines Impfschadens nach dem Infektionsschutzgesetz.

Die im Jahr 1978 geborene Klägerin war als Fachkrankenschwester für Intensivpflege und Anästhesie im M.krankenhaus in St. W. tätig. Am 17.11.2009 ließ sie sich vom Betriebsarzt der Klinik gegen Hepatitis A mit dem Impfstoff Havrix 1440 und gegen die Neue Influenza A (H1N1, „Schweinegrippe“) mit dem Impfstoff Pandemrix impfen (Blatt 1 Rs VA). Wegen Beschwerden, die sie auf die Impfung zurückführte, suchte sie am 28.12.2009 die Internistin S.-H. auf. Am 23.2.2010 wandte sie sich an den Betriebsarzt. In der Folgezeit war die Klägerin wiederholt in ärztlicher Behandlung.

Am 2.1.2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung von Versorgung bei Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie gab an, vier Stunden nach der Impfung habe sie starke Schmerzen vom Becken bis in die Beine gehabt. In der folgenden Nacht sei es zur Lähmung betr. Arm und Schmerzen vom Becken bis in die Beine gekommen, circa zwei Wochen später zu Grippegefühl, Abgeschlagenheit/Kraftlosigkeit, starken Schmerzen vom Becken bis in die Beine/Übelkeit/Schwindel. Sie sei nicht belastbar. Als Impfschaden mache sie ein seit Dezember 2009 schubhaftes Auftreten von grippeähnlichen Symptomen mit ausgeprägter Abgeschlagenheit/Kraftlosigkeit/starken Muskelschmerzen/Konzentrationsverlust und Schwindel geltend, begleitet von akuten Schlafstörungen und starken Kopfschmerzen. Darüber hinaus bestehe Übelkeit seit Dezember 2009.

Das E. (PEI) – Bundesinstitut für Impfstoffe und biometrische Arzneimittel – machte auf Anfrage des Beklagten unter dem 18.1.2012 Angaben zur Freigabe der Impfstoffe.

Der Beklagte zog ärztliche Unterlagen sowie von der Krankenkasse der Klägerin Vorerkrankungsverzeichnisse bei. Die Krankenkasse reichte ein Vorerkrankungsverzeichnis unter dem 16.2.2012 und ein weiteres unter dem 6.3.2012 ein. Nach Eingang der ärztlichen Befundberichte legte der Beklagte den Vorgang seinem Ärztlichen Dienst (ÄD) vor. Dieser äußerte unter dem 27.3.2012 u.a., ein stationärer Aufenthalt sei vom 26.1.2011 bis 28.1.2011 bei Schmerzen, vom Becken in beide Oberschenkel ausstrahlend, und allgemeiner Kraftlosigkeit und Erschöpfung erfolgt. Als Diagnose sei ein pseudoradikuläres Schmerzsyndrom der Oberschenkel ohne Hinweise auf eine neurologische Genese festgehalten. Im April 2011 sei eine Abklärung bei rezidivierenden Erschöpfungszuständen unklarer Genese erfolgt, wobei von internistisch hämatologischer Seite sich für das Beschwerdebild keine Erklärung gefunden habe. Weitere Befunde dokumentierten die Diagnose einer sekundären Nebenniereninsuffizienz bei hypophysärem ACTH-Mangel. An wesentlichen Befunden sei festzuhalten, dass die serologischen Befunde immer unauffällig gewesen seien, es hätten weder antinukleäre Antikörper noch anti-neurophile cytoplasmatische Antikörper, wie sie bei einer etwaigen Immunreaktion induziert durch eine der beiden Impfungen zu fordern wären, nachgewiesen werden können. Die kernspintomographische Darstellung der Hypophyse sei immer unauffällig gewesen. Die Behandlung der hormonellen Störung sei durch medikamentöse Substitution von Hydrocortison erfolgt. Nachweislich des aktuellsten Befundberichts vom Februar 2012 habe sich die Gesundheitsstörung zwischenzeitlich auch nach Absetzen der Medikamente normalisiert. Zusammenfassend gebe es bei der Klägerin keine Hinweise auf einen Impfschaden.

Der Beklagte lehnte im Anschluss mit Bescheid vom 29.5.2012 auf der Grundlage der §§ 60, 61 IfSG den Antrag auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz ab und berief sich zur Begründung auf die Stellungnahme des ÄD. Zusammenfassend sei festzustellen, dass sich keine Hinweise für das Vorliegen eines Impfschadens ergäben.

Die Klägerin legte am 29.6.2012 Widerspruch ein. Ihr behandelnder Arzt führe ihre gesundheitlichen Schäden auf einen Impfschaden zurück. Vergleiche ihrer Symptome mit den Firmenangaben zu Nebenwirkungen der Impfstoffe Pandemrix und Havrix bestätigten ebenfalls das Vorliegen eines Impfschadens.

Der Beklagte holte erneut eine Stellungnahme des ÄD ein. Dieser wies unter dem 5.9.2012 darauf hin, dass die von der Klägerin beschriebene Symptomatik, welche angeblich vier Stunden nach der Impfung in Form ziehender Schmerzen vom Becken bis in die Beine aufgetreten seien, ärztlicherseits nicht dokumentiert seien. Insofern könnten auch die Brückensymptome nicht nachgewiesen werden, so dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den von der Klägerin geltend gemachten Symptomen unwahrscheinlich sei. Die geschilderte Gesundheitsstörung sei unabhängig von den stattgefundenen Impfungen im Jahr 2009.

Unter dem 23.10.2012 teilte die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) mit, dass eine Prüfung stattfinde, ob ein möglicher Impfschaden als Arbeitsunfall anzuerkennen sei.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 9.10.2012 eine zunächst bis zum 31.8.2014 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die Klägerin legte beim Beklagten ein im Rahmen des Rentenverfahrens gefertigtes internistisches Gutachten vom 8.8.2012 (Dr. H.) und ein nervenärztliches Gutachten vom 29.8.2012 vor (Dr. L.). In dem internistischen Gutachten wurde die Vermutung eines Fatigue-Syndroms nach Schweinegrippeimpfung geäußert. Im nervenärztlichen Gutachten wurde unter Diagnose „Vermutlich Z.n. Impfschaden“ angegeben und ausgeführt, die von der Klägerin sehr glaubwürdig geschilderten Zeiten der vollkommenen Kraftlosigkeit könnten unter Umständen auf einen Impfschaden zurückzuführen sein. Dies werde jedoch nicht eindeutig bewiesen werden können, wie „bereits von Herrn Professor J. beschrieben worden“ sei.

Nach Einholung einer Stellungnahme des ÄD wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.1.2013 zurück.

Die Voraussetzungen des § 61 Satz 1 IfSG seien nicht gegeben. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei festzustellen, dass keine angemessene zeitliche Verbindung als Voraussetzung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs gegeben sei. Aus dem nachgereichten internistischen Gutachten von Dr. H. und dem neuropsychiatrischen Gutachten von Dr. L. lasse sich keine Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Fatigue-Syndrom und der Impfung nachweisen. Es werde lediglich angeführt, dass vermutet werde, dass das Fatigue-Syndrom unter Umständen auf die Impfung zurückzuführen sei. Die geklagte Symptomatik, welche angeblich vier Stunden nach der Impfung in Form von ziehenden Schmerzen vom Becken bis in die Beine aufgetreten sei, sei ärztlicherseits nicht dokumentiert. Insofern könnten auch Brückensymptome nicht nachgewiesen werden, so dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Symptomen und der Impfung unwahrscheinlich sei. Lasse sich diese Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht ermitteln, wirke sich dies zu Lasten des Antragstellers aus (BSG-Urteil vom 17.8.1988, Az.: B 9 VJ 2/97 R).

Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung nach § 61 Satz 2 IfSG seien vorliegend nicht erfüllt.

Die BGW lehnte mit Bescheid vom 21.2.2013 die Anerkennung des Ereignisses vom 17.11.2009 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, nach dem von ihr bei Dr. Fi. eingeholten Gutachten ( M.hausklinik N.) vom 17.9.2012 könne anhand der medizinischen Unterlagen kein Gesundheitsschaden, der über das übliche Maß einer Impfreaktion zu erwarten gewesen sei, festgestellt werden. Auch beim PEI bestünden derzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Hinweise darauf gäben, dass Impfungen mit Havrix 1440 und Pandemrix endokrinologische Veränderungen hervorrufen könnten, insbesondere kein ACTH-Mangel. Bei Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten könne nicht mit Gewissheit nachgewiesen werden, dass die Klägerin am 17.11.2009 eine über das übliche Maß hinausgehende Impfreaktion erlitten habe. Den Widerspruch der Klägerin lehnte die BGW mit Widerspruchsbescheid vom 27.6.2013 ab. Soweit bekannt ist noch ein Klageverfahren anhängig (in dem das von der Klägerin im weiteren Verlauf des vorliegenden Verfahrens vorgelegte Gutachten von Dr. Ha. eingeholt wurde).

Gegen den Bescheid des Beklagten hat die Klägerin am 30.1.2013 Klage beim Sozialgericht für das Saarland (SG) erhoben.

Die von ihr beschriebenen Symptome hätten sich bereits nach vier Stunden eingestellt, sich innerhalb der darauffolgenden 14 Tage verstärkt und hielten bis zum heutigen Tage an. Vor dem 17.11.2009 habe sie an keinem der Symptome gelitten.

Bei den verabreichten Impfungen handele es sich um öffentlich empfohlene Impfungen im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Im Rahmen der Inkubationszeit sei es zu unüblichen Reaktionen gekommen. Die Diagnose CFS sei gesichert. Die Diagnose sei von der Deutschen Klinik für Diagnostik in W. gestellt worden. Das CFS werde von dem Internisten Dr. K. als Folge der Schweinegrippeimpfung bestätigt. Das Krankheitsbild werde an bestimmten Merkmalen sowie der Ausschlussdiagnostik festgestellt. Der Vortrag werde durch diverse ärztliche Befundberichte bestätigt. Die ersten Symptome des CFS seien zwar nicht ärztlicherseits dokumentiert. Es sei aber auch nicht erforderlich, dass das Einsetzen der Symptome unbedingt durch einen Arzt dokumentiert sein müsse, was sich aus § 15 KOVVfG ergebe. Die Kann-Versorgung sei vom Beklagten ohne jegliche Begründung abgelehnt worden.

Das SG hat ein Gutachten bei Dr. Ste. (Chefarzt DRK-Krankenhaus S., Innere Medizin, Gastroenterologie) eingeholt.

Dieser hat im Gutachten vom 1.4.2014 folgende Diagnosen gestellt: Ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom mit den Merkmalen eines chronischen Fatigue-Syndroms, kein Nachweis einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung, leichte Erniedrigung des Komplementfaktors C3 auf 84,1 mg/dl (Normalwert 90-180), echoarmer Knoten des rechten Schilddrüsenlappens, anamnestisch autonomes Adenom mit derzeitiger Euthyreose.

Zu den Beweisfragen hat er ausgeführt, es sei allgemein anerkannt, dass Impfstoffe insbesondere durch Verwendung von sogenannten Adjuvantien zu einer Stimulation des Immunsystems führten, was ja auch gewünscht sei. In diesem Zusammenhang würden Assoziationen mit dem Auftreten autoimmuner Erkrankungen immer wieder diskutiert und beobachtet.

lm Bereich der entzündlich rheumatischen Erkrankung seien Assoziationen zwischen der Impfung mit Pandemrix und dem Auftreten mehrerer entzündlich rheumatischer Erkrankungen diskutiert worden, nämlich der reaktiven Arthritis (M02, M03, M13), des Sjögren-Syndroms (M35/0), des systemischen Lupus erythematodes (M32), der Skleodermie (M34), der Dermatomyositis (M33) sowie der kutanen Vaskulitis (L95.8, L95.9). Allerdings ließen sich keine sicheren Assoziationen nachweisen.

In einer retrospektiven schwedischen Kohortenstudie zum Auftreten von neurologischen und Autoimmunerkrankungen nach Pandemriximpfung betreffend 1.024.019 geimpfte Personen sei kein erhöhtes Risiko für eine rheumatoide Arthritis oder andere entzündlich rheumatische Erkrankungen gefunden worden.

lm Juli 2012 sei die Klägerin im Charité Zentrum für medizinische Immunologie umfangreich auf die Frage hin untersucht worden, ob ein Immundefekt vorliege. Hier sei lediglich eine unspezifische Erniedrigung der IgG-3 Subklassen im Serum aufgefallen. Hinweise auf einen spezifischen Immundefekt hätten sich nicht gefunden.

Sowohl anamnestisch als auch bei der durchgeführten klinischen Beurteilung hätten sich keine Hinweise auf das Bestehen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung gezeigt. (…)

Im Hinblick auf eine nicht entzündliche rheumatische Erkrankung müsse vor allem eine Abgrenzung zur Fibromyalgie erfolgen.

Bei der Fibromyalgie handele es sich um einen Symptomkomplex, der Überschneidungen mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom (chronic fatigue syndrom) aufweise, wobei für beide Syndrome weder pathophysiologisch nachgewiesene Modelle noch Ausschlusskriterien vorlägen. Außerdem seien beide Symptomkomplexe hinsichtlich ihrer Wertung als eigenständige Erkrankung umstritten. (…)

Entscheidendes Kriterium für die Diagnose (der Fibromyalgie) seien (…) Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates. Diese hätten bei der Klägerin jedoch nicht vorgelegen. Somit habe auch keine Fibromyalgie vorgelegen.

Zusammenfassend fänden sich daher keine Gesundheitsstörungen im Fachgebiet der Inneren Medizin, speziell der Rheumatologie, die die Symptomatik erklären könnten.

Zur Beantwortung der Frage nach einem Impfschaden sei eine erneute Literaturrecherche durchgeführt worden. Da es sich um eine spezifische Reaktion auf den Impfstoff Pandemrix der Firma Glaxo-Smith-Kline handeln solle, der im September 2009 in Europa zugelassen worden sei, sei die Literaturrecherche explizit auf Arbeiten beschränkt worden, die sich eindeutig auf diesen Impfstoff bezögen. Analogieschlüsse zu anderen Präparaten seien problematisch, da ähnliche Impfstoffe andere Adjuvantien und Inhaltsstoffe enthielten.

Unter dem Stichwort Pandemrix advers events würden 66 Artikel in Pub med aufgeführt. Besondere Relevanz habe dabei eine groß angelegte populations- und registerbasierte Kohortenstudie aus Schweden mit einem Follow up von 2 Jahren, die 2014 veröffentlicht worden sei. Demnach seien seit der Zulassung von Pandemrix in Europa seit September 2009 etwa 30 Millionen Menschen mit diesem Impfstoff vakziniert worden. Bis jetzt sei lediglich das gehäufte Auftreten von Narkolepsiefällen bei Jugendlichen und Kindern in skandinavischen Ländern beobachtet worden, so dass seit dem 21.07.2011 die Impfung von unter 20-Jährigen mit Pandemrix seitens der europäischen Arzneimittelbehörde nicht mehr empfohlen werde.

In der aktuellen erwähnten schwedischen Studie sei jetzt das Auftreten von 41 definierten Erkrankungen (10 neurologische Diagnosen incl. Narkolepsie, 31 nicht neurolgische Diagnosen, beinhaltend 7 definierte rheumatologische Erkrankungen) untersucht worden. Die Studie habe 3.347.467 Personen umfasst, die zwischen 2009 und 2011 mit Pandemrix geimpft worden seien. Diese seien mit 2.497.572 nicht geimpften Personen verglichen worden. In der umfangreichen Untersuchung hätten sich lediglich Assoziationen zwischen der Pandemrix-Impfung und dem Auftreten von Narkolepsie bei Probanden im Alter bis 20 Jahre gefunden, aber auch bei jungen Erwachsenen zwischen 21 und 30 Jahren. Folgende neurologischen Erkrankungen seien auf eine Assoziation untersucht worden: Guillain-Barre-Syndrom, Multiple Sklerose, optische Neuronitis, akute disseminierte Encephalomyelitis, Bellsche Paralyse, Narkolepsie, Polyneuropathie, Paraesthesien, Grand mal Epilepsie, An- und Hypoästhesie. Leider sei in dieser Untersuchung kein Bezug auf das chronische Fatigue-Syndrom genommen worden. In der aktuellen Literaturrecherche bezüglich möglicher Nebenwirkungen der Pandemriximpfung seien vor allem Narkolepsiefälle, allerdings ausschließlich in Skandinavien beschrieben worden.

In einer britischen prospektiven Kohortenstudie mit 9143 Pandemrix-geimpften Probanden sei eine Fatigue-Symptomatik bei Erwachsenen als Frühsymptom innerhalb der ersten 7 Tage nach Impfung beschrieben worden. Fälle mit chronischem Fatigue-Syndrom hätten nicht vorgelegen.

lm Gutachten von Dr. Fi. vom 17.09.2012 (eingeholt im Unfallverfahren) finde sich ebenfalls eine umfangreiche Literaturrecherche inkl. der Korrespondenz mit dem Hersteller und dem E. Auch hier hätten sich keine sicheren Assoziationen zwischen dem Auftreten des bei der Patientin zu beobachtenden chronischen Fatigue-Syndroms und der Impfung mit Pandemrix gefunden.

Zusammenfassend sei bei der aktuellen Literaturrecherche keine Publikation gefunden worden, die einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Pandemriximpfung und dem Auftreten eines Fatiguesyndroms hergestellt habe.

Allerdings sei eine Fallbeschreibung gefunden worden, bei der eine Brasilianerin nach Impfung gegen pandemische Influenza A/H1N1 (Hersteller nicht genannt) eine Symptomatik bestehend aus Myalgien, Myositiden, Muskelschwäche, Arthralgien und chronischer Fatiguesymptomatik (u.a.) entwickelt habe.

In einem Übersichtsartikel aus Autoimmunitiy 2007 werde dezidiert die Assoziation zwischen Impfungen / Infekten und dem Auftreten des chronischen Fatigue Syndroms analysiert. Dabei habe eine kanadische Arbeitsgruppe (Canadian Laboratory Center for Disease Control) keine Evidenz für eine Assoziation zwischen Impfungen und dem Auftreten einer Fatigue Symptomatik gefunden.

Erschwert werde die Beurteilung eines möglichen Zusammenhanges zusätzlich dadurch, dass bisher kein gültiges pathogenetisches Konzept für das chronische Erschöpfungssyndrom vorliege.

Man könne sich insofern lediglich dem Vorgutachter anschließen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Pandemrix-Impfung bei der Klägerin und dem zu beobachtenden chronischen Fatigue-Syndrom nicht beweisbar erscheine.

Da sich ein Impfschaden wie oben ausgeführt nicht beweisen lasse, könne auch der Zusammenhang mit der aktuell bestehenden Gesundheitsstörung nicht mit hinreichender Sicherheit hergestellt werden. Jedenfalls biete die zugängliche Literatur hierfür keinen ausreichenden Anhalt. Eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises sei nicht diagnostiziert worden.

(…)

Bei der Klägerin sei im Anschluss an die Pandemrix-Impfung ein schwerer gesundheitlicher Schaden im Sinne eines Fatigue-Syndroms aufgetreten. Die Diagnose des chronischen Fatigue-Syndroms sei in mehrfachen Untersuchungen und Begutachtungen von unterschiedlichen Ärzten bestätigt worden und könne daher als höchst wahrscheinlich angenommen werden. Die Erkrankung habe dazu geführt, dass die Probandin ihren Beruf nicht mehr ausüben könne. Außerdem bestehe eine erhebliche Belastung in sämtlichen Lebensbereichen der Klägerin und ihrer Familie. Auf Grund der zeitlichen Nähe und der massiven Veränderungen nach dem Impfereignis erscheine allerdings ein Zusammenhang plausibel. Weitere Untersuchungen durch Spezialisten auf dem Gebiet der Nebenwirkungen von Impfstoffen im immunologischen Bereich erschienen daher sinnvoll.

Der ÄD hat in zwei Stellungnahmen (vom 6.6.2014 und vom 13.6.2014) an seinen früheren Auffassungen festgehalten. Die Voraussetzungen auch für eine Kann-Versorgung lägen nicht vor. Ab 2012 habe es eine Normalisierung gegeben.

Das SG hat im Anschluss ein Gutachten bei Prof. Dr. Z., Universitätsklinik Mainz (Kinder- und Jugendmedizin, Prof. Dr. Z. Mitglied der STIKO), eingeholt, das unter Mitwirkung des geschäftsführenden Oberarztes Dr. Ko. erstellt wurde.

Prof. Dr. Z./Dr. Ko. haben im Gutachten vom 13.6.2015 ausgeführt, bis zum heutigen Tage sei die Ätiologie der bei der Klägerin am ehesten vorliegenden Erkrankung eines CFS nicht geklärt. Bislang sei wissenschaftlich nicht gesichert, dass sich für das CFS ein eindeutig pathogenetisches Korrelat nachweisen lasse. Damit handele es sich bei dieser Diagnose grundsätzlich um eine so genannte Ausschlussdiagnose, die nach dem Ausschluss aller plausiblen Differenzialdiagnosen und beim Vorliegen der entsprechenden klinischen Befunde gestellt werden könne. Hierzu seien in den vorgelegten Akten eine Vielzahl von Befunden dokumentiert, die nach Durchsicht als ausreichend erschienen, so dass aus Sicht des Gutachters auf eine weiterführende spezifische Diagnostik für das jetzt zu erstellende Gutachten habe verzichtet werden können. Dass bei der Klägerin eine Form der CFS vorliege, sei nach Durchsicht der Akten und der darin enthaltenen Befunde sowie Gutachten unstreitig. Streitgegenständlich sei, wie zuvor mehrfach beschrieben, die Frage des kausalen Zusammenhanges zwischen Impfung und der kurze Zeit später aufgetretenen Erkrankung.

Insbesondere weise Dr. Fi. in seinem Gutachten darauf hin, dass eine Beweisführung im Sinne der medizinischen Zusammenhangsbeurteilung nur dann gelinge, wenn es entweder einen anerkannten pathomechanischen Weg von Schadensauslösung zu Schadensfolgen gebe oder sich in einer Vergleichspopulation eine statistische Häufung im Vergleich zur nicht geimpften Normalbevölkerung einstelle (siehe Akte S. 133). Auch Dr. Ste. führe in seinem Gutachten aus, dass derzeit kein kausaler Zusammenhang zwischen einer Impfung mit Pandemrix® und dem Auftreten eines CFS bekannt sei (siehe Akte S. 188).

Weiter seien in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Dr. Fi. hervorzuheben, der in seinem Gutachten beschreibe, dass aufgrund der Adjuvantierung des Impfstoffes Pandemrix® auf Veranlassung der Europäischen Arzneimittelaufsicht (EMA) die Zentralbehörden in Deutschland, Großbritannien, Niederlanden, Frankreich, Schweden, Norwegen und Finnland beauftragt worden seien, alle gemeldeten und in Frage kommenden Nebenwirkungen und Komplikationen zusammenzufassen und zu bewerten (siehe Akte S. 133). Die überwiegend beschriebenen Nebenwirkungen der Impfung wie lokale oder generalisierte, grippeähnliche Symptome hätten allesamt im Mittel nicht länger als 30 Tage angedauert, wobei bleibende Schäden nicht berichtet worden seien. Einzige Ausnahme stelle hierbei die Narkolepsie bei Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 19 Jahren dar. Diese Nebenwirkung sei die einzige, die durch die deutsche Arzneimittelaufsicht (PEI) und der EMA als solche anerkannt sei. Als Konsequenz hieraus werde seit Juli 2011 der Impfstoff Pandemrix® bei unter 19 jährigen nicht mehr empfohlen. Eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit habe eine mögliche Erklärung für einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfung mit Pandemrix® und einer Narkolepsie beschrieben. Demnach bänden gegen den Impfstoff gebildete Antikörper an bestimmte neurogene Strukturen des eigenen Körpers (eine sogenannte Kreuzreaktion), die hiernach die Entstehung einer Narkolepsie triggern könnten. Antikörper der gleichen Art hätten bei einem anderen Impfstoff (Focetria®) nicht nachgewiesen werden können, wären also demnach spezifisch bei Pandemrix® zu finden.

Aufgrund der nicht bekannten Pathogenese und Ätiologie des CFS sei es, wie schon in vorangegangenen Gutachten ausgeführt worden sei, auch in dem vorliegenden Gutachten nicht möglich, einen kausalen Zusammenhang der durchgeführten Impfung und aufgetretenen Erkrankung wissenschaftlich eindeutig zu beweisen.

Gleichermaßen könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die durchgeführte Impfung und die damit ausgelöste Immunreaktion als Trigger fungiert hätten und so die Erkrankung erst manifest geworden sei. Ein Zusammenhang zwischen Infektionen und nachfolgend aufgetretenen chronischen Erkrankungen sei in der Medizin gut bekannt. Als Beispiel seien hier die Zusammenhänge zwischen dem Eppstein-Barr-Virus oder den Humanen Papillomaviren und sekundär auftretenden Malignomen (Lymphom, Zervixkarzinom) oder die Entwicklung von Autoimmunphänomenen nach viralen Infektionen genannt. So scheine es unbestritten, dass virale Infektionen auch eine Rolle bei der Entstehung eines CFS spielten, ohne dass dabei ein bestimmtes Virus verantwortlich gemacht werden könne. Wahrscheinlich könnten verschiedene Infektionserreger für einen empfänglichen Menschen immunologische Epiphänomene und Krankheitsentwicklungen triggern. Dabei könnten verschiedene Viren Individuen unterschiedlich stark betreffen. Wann ein Individuum empfänglich sei, hänge wiederum von der individuellen Immunkompetenz sowie begleitenden Faktoren ab, wie etwa Stress und vorangegangene Infektionen.

Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass die Impfung ein solcher Trigger für das Auftreten der Erkrankung der Klägerin gewesen sei, könne gegenwärtig nicht der Beweis geführt werden, dass die Erkrankung auch ohne Impfung zum gleichen Zeitpunkt oder später aufgetreten wäre.

Das Gutachten sei aus ärztlicher Sicht erstellt; der begutachtende Arzt sei Pädiater. Die Beurteilung des Zusammenhanges zwischen Impfung und aufgetretener Erkrankung von Frau A. bedürfe bis zum Erhalt neuer Erkenntnisse über die Pathogenese der Erkrankung aus Sicht des Gutachters keiner weiteren klinisch-somatischen Gutachten. Die differentialdiagnostische Betrachtung der Erkrankung der Klägerin sowie die Analyse etwaiger psychosomatischer Aspekte, wie sie Dr. Fi. in seinem Gutachten aufgeführt habe (siehe Akte S. 136), fielen nicht in das Fachgebiet eines Pädiaters und müssten ggf. später gutachterlich gewürdigt werden. Aus diesem Grund sei auch der Grad der Schädigung/Gesamtschädigung des vorliegenden durchaus komplexen Krankheitsbildes der Klägerin von einem Arzt für Kinder- und Jugendmedizin nur eingeschränkt zu beurteilen. Hierzu bedürfe es ggf. im weiteren Verfahren eines weiteren fachspezifischen Gutachtens.

Die aktuellen Diagnosen seien (ICD-10, Freitext): 1. F48.0 Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS) 2. D34R Autonomes Adenom der Schilddrüse (anamnestisch bekannt, rechtsseitig, Euthyreose) 3. D84.1 Erniedrigung des Komplementfaktors C3 (anamnestisch bekannt).

Obwohl es nachweislich einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und ersten Symptomen gebe, könne medizinisch-wissenschaftlich nicht exakt bewiesen werden, dass die Impfung ursächlich für die Erkrankung sei. Somit könne hier nicht von einem Impfschaden im eigentlichen Sinne gesprochen werden. Über die Ursache des bei der Klägerin festgestellten Leidens bestehe in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit, so dass in diesem besonderen Fall die Anwendung von § 61 Infektionsschutzgesetz erwogen werden müsse. In der medizinischen Literatur sei allerdings bisher kein einziger Fall eines CFS nachweislich ursächlich mit einer Impfung in Zusammenhang gebracht worden. Wie in dem Gutachten von Dr. Fi. dargelegt sei ein Zusammenhang weder dem Hersteller des Impfstoffes noch der deutschen Arzneimittelaufsicht gemeldet worden. Die Tatsache, dass die europäische Arzneimittelaufsicht nach Feststellung mehrerer Fälle von Narkolepsie die Impfung mit dem gleichen Impfstoff für unter 19 jährige nicht mehr empfehle, weise darauf hin, dass hinsichtlich der Frage eines Zusammenhanges zwischen Impfung mit Pandemrix® und neurologischen Symptomen zumindest eine Unsicherheit in der wissenschaftlichen Bewertung bestehe. Dazu kämen neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die den Zusammenhang heute als wahrscheinlicher erscheinen ließen. Dennoch sei es aufgrund des aktuellen Wissenstandes nicht möglich, den Grad der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen durchgeführter Impfung und aufgetretener Erkrankung zuverlässig zu beziffern. Dies sei jedoch im engeren Sinne nicht die eigentliche Fragestellung und solle daher hier nicht weiterverfolgt werden. Da jedoch ohne Anerkennung der zuständigen obersten Landesbehörde die Gesundheitsschädigung der Klägerin nicht als Impfschaden bezeichnet werden könne und die Erkrankungen zudem nicht in das Fachgebiet der Pädiatrie fielen, solle auf die Fragen B2a-c hier zunächst nicht weiter eingegangen werden.

Sowohl für die Veränderungen des Komplementsystems als auch für das Adenom der Schilddrüse werde kein Zusammenhang zur durchgeführten Impfung gesehen.

Bei der mehrfach diagnostizierten CFS handele es sich um ein komplexes Erkrankungsbild, das eine Vielzahl von Symptomen umfasse, ohne dass derzeitig die Pathogenese vollständig wissenschaftlich verstanden sei.

Die ersten Symptome seien bei der Klägerin bereits Stunden nach der Impfung aufgetreten. Nachdem es zunächst zu lokalen Schmerzen gekommen sei, sei ein allgemeines Krankheitsgefühl sowie Übelkeit gefolgt. Hierzu sei es in der Nacht nach der Impfung zu einem Taubheitsgefühl des linken Oberarms gekommen, also des Körperteils in den die Impfung appliziert worden sei. Das Vollbild der Erkrankung habe sich in den anschließenden Wochen entwickelt, so dass durchaus ein nachvollziehbarer zeitlicher Zusammenhang bestehen könne. Diesbezüglich bestehe somit aus Sicht dieses Gutachtens Übereinstimmung mit den Ausführungen der Rechtsanwälte der Klägerin.

Dazu, ob in der medizinischen Wissenschaft ein ursächlicher Einfluss des beschriebenen Impfschadens auf die Entstehung der festgestellten Gesundheitsstörungen zumindest als wissenschaftliche Arbeitshypothese für theoretisch begründet in Erwägung gezogen werde, sei dem Gutachter keine wissenschaftliche Lehrmeinung bekannt. Der mögliche Zusammenhang zwischen der durchgeführten Impfung und der aufgetretenen Erkrankung begründe sich im Wesentlichen darin, dass über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe. Die komplexe Beschwerdesymptomatik sei in einem zeitlich sehr engen Zusammenhang aus zuvor vollkommener Gesundheit aufgetreten, persistiere, dokumentiert durch ärztliche Fachleute, über Jahre und werde als CFS eingeordnet. Eine immunologische Genese werde für das CFS diskutiert, ohne dass ursächliche Agentien und pathogenetische Zusammenhänge bekannt seien. Im vorliegenden Fall sei die Impfung zeitlich gesehen das einzige Ereignis, das möglicherweise zu einer Veränderung des immunologischen Reaktionsmusters geführt haben könne. Wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, könne seitens des Gutachters nicht bemessen werden. Ob diese Wahrscheinlichkeit zudem letztendlich einen ursächlichen Zusammenhang begründe und somit als ein Impfschaden anerkannt werde, liege gemäß § 61 Infektionsschutzgesetz bei der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde.

Bei einem ätiologisch zumindest in großen Teilen unklaren Krankheitsbild könne ein möglicher Zusammenhang zwischen durchgeführter Impfung und aufgetretener Erkrankung nie gänzlich ausgeschlossen werden. Wie weiterhin zuvor berichtet, gehe man in der medizinischen Wissenschaft heute davon aus, dass zum Beispiel Infektionen bestimmte (immunologische) Erkrankungen bei immunologisch empfänglichen Individuen triggern könnten, so dass diese sich, obwohl zuvor nicht vorhanden oder nach außen hin sichtbar, mit oder nach der Infektion manifestierten. Hierzu gebe es eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten, die sich diesem Themenkomplex widmeten und die in der Verwaltungsakte auf den Seiten 203 ff bereits aufgeführt worden seien. Ob in diesem besonderen Fall die durchgeführte Impfung möglicherweise ein solcher Stimulus für eine Erkrankung sei, die zuvor bereits vorhanden gewesen sei, sich jedoch nicht nach außen hin sichtbar manifestiert habe, oder ob sie gar neu aufgetreten sei, entziehe sich der Beurteilung durch den Gutachter und werde mehr oder weniger auch als spekulativ angesehen. Wie in der Verwaltungsakte auf Seite 234 bereits ausgeführt, brauche ein ursächlicher Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit dem schädigenden Vorgang (hier Impfung) nur wahrscheinlich zu sein, wohingegen die anspruchsbegründenden Tatsachen (schädigender Vorgang/Impfung, gesundheitliche Schädigung/ Impfschaden, Schädigungsfolge/dauerhafte Gesundheitsstörung) selbst bewiesen sein müssten. Ein solcher Beweis, dass ohne jeden Zweifel der schädigende Vorgang die streitgegenständige Impfung gewesen sei und damit die hierdurch eingetretene gesundheitliche Schädigung als Impfschaden zu bezeichnen wäre, könne aus gutachterlicher Sicht hier nicht geführt werden. Vor diesem Hintergrund und den zuvor bereits geschilderten Ausführungen, sei die abschließende Entscheidung, ob in diesem Fall eine „Kannversorgung“ zutreffend sei, seitens des Gutachters nicht möglich. Zudem bleibe festzustellen, dass die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung in der Liste des in der Fragestellung genannten Kapitels 39 Abs. 7 des vom BMAS herausgegebenen Buches „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht (AHP)“ nicht benannt sei.

Der Gutachter nehme keine von den Arbeitsergebnissen der STIKO abweichende medizinische Auffassung ein.

Da die Erkrankung der Klägerin nicht in das Fachgebiet der Pädiatrie falle, müsse für den Fall der Anerkennung der Erkrankung als Impfschaden zum GdS ein entsprechender Facharzt befragt werden.

Erste Symptome seien bereits wenige Stunden nach der Impfung aufgetreten. In den darauffolgenden Tagen habe sich das Schwächegefühl derart verstärkt, dass die Klägerin sich mehrfach am Tag habe hinlegen müssen. Darauf habe die Klägerin versucht, trotzdem ihrer Arbeit nachzugehen, habe sich allerdings von ihrem Ehemann zum Dienst fahren lassen müssen. Unmittelbar nach der Arbeit habe sie sich aufgrund vollständiger Erschöpfung hinlegen müssen. In der darauf folgenden Zeit habe sich die Beschwerdesymptomatik verstärkt, so dass aus Sicht dieses Gutachtens der Zeitpunkt der Impfung als Beginn der Gesundheitsstörung anzusehen sei.

Abschließend solle noch einmal bekräftigt werden, dass die gesundheitlichen Schädigungen, die die Klägerin im zeitlichen Zusammenhang mit der durchgeführten Impfung erlitten habe und unter denen sie und ihre Familie noch heute in einem erheblichen Maße litten, im Rahmen der ambulanten Vorstellung von ihr eindrücklich und glaubhaft geschildert worden seien. Fakt sei, dass sich ein ursächlicher Zusammenhang auf Grundlage des aktuellen medizinischen Wissenstandes nicht beweisen lasse. Fakt sei aber auch, dass zu dieser Zeit ein adjuvantierter Impfstoff verwendet worden sei, der aufgrund „neuroaffiner“ Nebenwirkungen (Narkolepsie) die europäische Arzneimittelaufsicht veranlasst habe, diesen für eine bestimmte Altersgruppe nicht mehr zu empfehlen. Zudem handele es sich bei der Klägerin um ein Erkrankungsbild, dessen Pathogenese auch heute noch nicht vollständig verstanden worden sei. Diese Fakten ließen auch ohne Beweis für den Gutachter eine gewisse, eben wissenschaftlich nicht begründbare Wahrscheinlichkeit nach § 61 Infektionsschutzgesetz erkennen.

Die Klägerin hat ein im Verfahren S 3 U 163/13 nach § 109 SGG von Dr. Kl. Ha. am 11.8.2015 erstelltes Gutachten vorgelegt.

Darin heißt es u.a., immer klarer werde die entscheidende Rolle, die die Adjuvantien in Impfstoffen wie Pandemrix für die Entstehung von schweren Impfkomplikationen spielten. Im Jahr 2010 sei das sog. ASIA-Syndrom vorgestellt worden (Autoimmune syndrome induced by Adjuvants). Die Entdeckung dieses Syndroms habe einem Puzzlespiel geglichen, bei dem unterschiedlichste und zunächst rätselhaft erscheinende Erkrankungen über einen gemeinsamen Nenner verfügten: Die Exposition mit immunologisch wirksamen Substanzen, den Adjuvantien. Es seien Erkenntnisse zu den Krankheitsbildern der makrophagischen Myofaszitis, des sog. Golfkriegs-Syndroms und der Silikonose zu einem Syndrom zusammengefasst worden. (…) Hinzu komme beim ASIA-Syndrom noch ein Faktor, der „post-vaccination-phenomena“ genannt werde: häufig nicht klar definierte Krankheitsbilder, die einen autoimmunentzündlichen Hintergrund hätten und nach adjuvantierten Impfungen aufträten. Hierzu gehörten auch eine chronische Müdigkeit und unklare Schmerzen nach Havrix- und Pandemrix-Impfung. (…)

Die Verbindung zwischen Impfstoffen und Autoimmunreaktionen als seltene Komplikationen sei inzwischen klar bestätigt und auch die Verbindung zwischen Pandemrix und der Narkolepsie I Kataplexie bei Kindern und Jugendlichen sei bestätigt. Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic habe am 30. November 2009 die Aufnahme eines Warnhinweises in die Fachinformation von Pandemrix betreffend vorbestehenden, schwerwiegenden Autoimmunerkrankungen verfügt: „Es gibt keine Studien mit Pandemrix bei Patienten, die an manifesten Autoimmunerkrankungen leiden. Bei Patienten mit akuten, schwerwiegenden Autoimmunerkrankungen wird die Impfung mit Pandemrix nicht empfohlen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass es durch das Adjuvans AS03 zu einer Verstärkung der Autoimmunerkrankung kommen kann“.

Zusätzlich zum Adjuvans AS03 enthalte der Impfstoff Pandemrix pro Impfdosis 5 Mikro-gramm des quecksilberhaltigen Konservierungsmittels Thiomersal. Thiomersal sei bereits aus Impfstoffen wegen seiner Toxizität und der pathologischen immunologischen Wirkungen weitgehend verschwunden und sei in Pandemrix wegen der Abfüllung in Mehrdosenbehälter wieder eingeführt worden.

Ein Projekt des vom BMBF geförderten Forschungsverbundes ,,Autoimmunitätsforschung" habe herausgefunden, wie die Schwermetalle Quecksilber (z.B. in Thiomersal) oder Gold eine Störung des Immunsystems im Sinne von Autoimmunreaktionen auslösen könnten. E. G. und seine Mitarbeiter von der Universität Düsseldorf hätten entdeckt, dass die Behandlung eines Antigens mit Gold- bzw. Quecksilbersalzen in Mäusen die Immunantwort gegen dieses Antigen verändert habe und vermehrt Autoimmunreaktionen aufgetreten seien. Diese Erkenntnisse seien später von einer Arbeitsgruppe des Karolinska-Instituts aus Stockholm bestätigt worden. Somit enthalte der Impfstoff Pandemrix zwei Komponenten, die in Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen stünden: Das Adjuvans AS03 und Thiomersal.

Für den Fall der Klägerin bedeute dies Folgendes: Neue adjuvantierte Impfstoffe wie Pandemrix brächten ein nicht zu unterschätzendes Risiko, schwere autoimmune Komplikationen auszulösen, mit denen vorher niemand habe rechnen können. Für die mit Aluminiumverbindungen adjuvantierten Impfungen wie Havrix seien die Zusammenhänge zwischen Fällen von ASIA-Syndrom („Post-vaccination phenomena“ wie z.B. das CFS) weitgehend gesichert. Die genauen pathophysiologischen Zusammenhänge seien unklar, da die Mechanismen, die zu autoimmunen Schäden führten, in der medizinischen Wissenschaft noch nicht hinreichend verstanden seien. Auch das CFS stelle ein „post-vaccination phenomenon“, also ein vermutlich durch die Adjuvans I Thiomersal-Wirkung ausgelöstes Autoimmungeschehen im Sinne von Prof. Shoenfelds ASIA-Syndrom dar.

Eine Möglichkeit der eindeutigen Diagnostik für den Nachweis solcher Adjuvans-vermittelter Komplikationen gebe es derzeit noch nicht. Bei der makrophagischen Myofasziitis könne eine Muskelbiopsie mit Nachweis von Aluminiumpartikeln in Makrophagen die Diagnose stützen, für die Squalen-haltigen Adjuvantien wie AS03 sei ein solches Vorgehen nicht beschrieben. Für die Bewertung des Zusammenhangs in Verdachtsfällen wie dem der Klägerin würden die im Folgenden beschriebenen Methoden angewendet.

Nach Rawlins und Thompson könnten die unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) in zwei Klassen eingeteilt werden, die sich hinsichtlich der Bewertung eines kausalen Zusammenhangs grundsätzlich unterscheiden.

Sog. Typ A-Reaktionen zeichneten sich durch eine Verstärkung der erwünschten Wirkung aus, seien somit vorhersehbar und dosisabhängig. Solche UAW seien häufig, würden durch die klinischen Studien vor der Marktzulassung meist erfasst und in den Packungsbeilagen beschrieben. Der Schweregrad sei in der Regel niedrig und der kausale Zusammenhang zwischen Medikament und UAW pathophysiologisch erklärbar. lm Rahmen der Betrachtung von UAW nach Impfungen entsprächen den Typ A-Reaktionen am ehesten die Lokalreaktionen und fieberhafte Allgemeinreaktionen von kurzer Dauer. Die Häufigkeit solcher Reaktionen könne in klinischen Studien erfasst und den Fach- und Gebrauchsinformationen der Produkte benannt werden.

Sog. Typ B-Reaktionen seien von gänzlich unerwartetem Charakter, dosisunabhängig, selten, aber oft schwer verlaufend und eventuell auch mit persistierenden Schäden oder letalem Ausgang verbunden. Zu diesen Typ-B Reaktionen gehörten die meisten schweren Impfschädigungen. Solche unerwünschten Reaktionen seien abhängig von einer speziellen Disposition des Impflings und träten so selten auf, dass sie in kontrollierten klinischen Studien nicht zu erfassen seien.

Daher sei es für die kontinuierliche Überwachung der Impfstoffe hinsichtlich seltener, schwerer Komplikationen notwendig, dass die impfenden Ärzte alle in zeitlichem Zusammenhang zu einer Impfung auftretenden schweren Erkrankungen, die nicht sicher eine andere Ursache hätten, der zuständigen Behörde meldeten. Allerdings sei die Erfassung solcher Reaktionen als mögliche Arzneimittelwirkungen problematisch, da gerade bislang unbekannte Reaktionen, die mit einer gewissen zeitlichen Latenz aufträten, durch die impfenden Ärzte nicht erkannt und damit nicht berichtet würden. Schätzungsweise würden nur ca. 5 % der tatsächlich auftretenden unerwünschten Ereignisse tatsächlich gemeldet.

Ab dem Jahr 2001 gebe es auch eine gesetzliche Meldepflicht, die allerdings das Meldeverhalten der Ärzteschaft noch nicht nachhaltig beeinflusst habe.

Im PEI werde seit Jahren eine genaue Analyse jedes gemeldeten Verdachtsfalls erstellt und die Ergebnisse würden in einer Datenbank gespeichert. Auf diesen Daten basiere die kontinuierliche Risikoüberwachung der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe. In dieser Datenbank fänden sich auch UAW-Verdachtsfälle von CFS und Fibromyalgie nach Impfungen gegen Hepatitis A.

Die PEI-Datenbank in Deutschland sei eine der wenigen und mit Sicherheit die größte Quelle empirischer Sicherheitsdaten zu Impfstoffen und diene dem Erkennen von sog. Risikosignalen. Aus solchen Risikosignalen würden dann meist in Kooperation mit den Herstellern Hypothesen zur Pathophysiologie der gemeldeten UAW entwickelt und Maßnahmen zum Schutz der Patienten ergriffen. Diese Maßnahmen seien in der Praxis oftmals die Durchführung von experimentellen Untersuchungen (Tierversuche, Labortests etc.) oder der Hinweis auf ein bestimmtes Risiko in der Fach- und Gebrauchsinformation des Produktes.

Darüber hinaus sei diese Datenbank auch ein enormer Fundus an Einzelkasuistiken, die für sich allein die Nutzen-Risiko-Analyse eines Impfstoffs nicht veränderten, dem bewertenden Wissenschaftler aber viele wichtige Denkanstöße liefern könnten. Die so generierten Hypothesen könnten viele komplexe und seltene Einzelfälle vom pathophysiologischen Ablauf her erklären helfen, wobei leider eine Überprüfung solcher Hypothesen mit epidemiologischen Methoden in der Praxis wegen der Seltenheit der Vorkommnisse kaum durchführbar sei. Aus diesen Gründen sei es keinesfalls statthaft, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer dokumentierten Impfung und einem ätiologisch unklaren unerwünschten Ereignis in deren Folge wegen fehlender „harter“ Daten zu verneinen. Einzelfallberichte wie der der Klägerin seien anhand der UAW-Datenbank des PEl nach Havrix-Impfung durchaus als bekannt zu betrachten.

Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines bestimmten schädigenden Ereignisses sei, genüge versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie sei gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche. Als Grundlage der Bewertung dienten nach den Anhaltspunkten (AHP) 2008 die Veröffentlichungen der ständigen Impfkommission am D. (STIKO) im „Epidemiologischen Bulletin“ (Aktualisierte Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI: Hinweise für Ärzte zum Aufklärungsbedarf über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen I Stand: 2007). In diesem Dokument würden für den Hepatitis-A (HA-Impfstoff) die folgenden Hinweise zur Aufklärungspflicht über mögliche Nebenwirkungen gegeben: (…).

Das Dokument der STIKO stamme allerdings von 2007 und berücksichtige daher nicht die erst später veröffentlichten Untersuchungen zum ASIA-Syndrom. Aus diesem Grund sei auch die mit AS03 adjuvantierte Grippeimpfung mit Pandemrix in diesem Dokument nicht berücksichtigt.

Etwas präziser definiert als die Kriterien der AHP 2008 (bzw. der STIKO) seien die von der Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichten Kriterien zur Kausalitätsbewertung von Verdachtsfällen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW). Auch hier seien die wesentlichen Kriterien die biologische Plausibilität (Pathophysiologie), die Bekanntheit der unerwünschten Reaktion, das zeitliche Intervall, das Vorliegen anderer Ursachen und eine Re-Exposition. Die Definition dieser Kriterien finde sich in ANNEX 2.

Zunächst müsse der zeitliche Abstand zwischen den Impfungen und den ersten Anzeichen der Erkrankung diskutiert werden. Bei der Klägerin seien etwa 4 Stunden nach der Impfung mit Havrix und Pandemrix Symptome wie Müdigkeit und Unwohlsein aufgetreten. Hierbei handele es sich sicher um unerwünschte Wirkungen der Impfung, die häufig aufträten und auch aus klinischen Studien gut bekannt seien. Über das gewöhnliche Maß einer Impfreaktion hinaus sei der Verlauf mit einer eher zunehmenden Schwere der Symptomatik gegangen. Etwa 2 Wochen nach den Impfungen hätten die Beschwerden eine sehr hohe Intensität erreicht und ab dieser Zeit seien die Zeichen des CFS nicht mehr verschwunden und es sei zum beschriebenen chronisch-schubweisen Erkrankungsverlauf gekommen.

Dieser zeitliche Ablauf sei für eine Impfkomplikation plausibel.

Die aufgetretene Reaktion sei pathophysiologisch durch die aluminiumhaltigen und AS03- adiuvantierten Impfungen erklärbar, auch wenn die molekularen Mechanismen hier noch nicht bis ins Detail verstanden seien. Alle Impfstoffhersteller arbeiteten derzeit mit höchster Priorität an der Entwicklung neuer und besser verträglicher Adjuvantien, da Fälle wie der der Klägerin insgesamt bei der steigenden Zahl von empfohlenen adjuvantierten Impfungen (z.B. gegen Gebärmutterhalskrebs) in der Häufigkeit sicher zunehmen würden. Somit seien im Fall der Klägerin die Kriterien erfüllt, die von der WHO für die Feststellung eines „wahrscheinlichen Zusammenhangs“ gefordert werden: 1. Plausibles zeitliches Intervall 2. Bekanntheit der unerwünschten Reaktion aus Literatur und Spontanerfassung 3. Plausible Hypothese zur Pathophysiologie (für das ASIA-Syndrom) 4. Differentialdiagnostischer Ausschluss anderer Ursachen.

Bei der Klägerin liege also nach den WHO-Kriterien mit Wahrscheinlichkeit eine Impfschädigung vor, die durch die Impfung mit Havrix und Pandemrix verursacht worden sei. Die Klägerin leide seit November 2009 mit Wahrscheinlichkeit an einer ME/CFS im Sinne eines Adjuvans-induzierten ASIA-Syndroms.

(…)

Zum Gutachten von Frau Prof. Dr. G. vom 1. Juli 2014 sei anzumerken, dass zunächst auch von Frau Prof. Dr. G. die Vorgeschichte und der Erkrankungsverlauf anhand der Aktenlage dargestellt würden. (…) Wenn Frau Prof. Dr. G. ausführe, dass mit dieser Spontanerfassung auch sehr seltene und diagnostisch nicht scharf begrenzte Krankheitsbilder wie das CFS als Impfkomplikation erfasst werden könnten, so sei dies in der Realität nicht zutreffend. Der Fall der Klägerin sei zwar als Verdachtsfall (für) eine Impfkomplikation gemeldet worden, sei damit aber eine Ausnahme. Auch das Medieninteresse an unerwünschten Wirkungen der Pandemrix-Impfung habe daran nichts geändert. Die Fälle von Narkolepsie in Skandinavien fielen nur als Impfkomplikation auf, weil es in diesen Ländern landesweite Narkolepsie-Register gebe und man den Anstieg der Erkrankungshäufigkeit an Narkolepsie nach der H1N1-lmpfkampagne 2009 deutlich habe erkennen können. Die Spontanerfassung in Deutschland hätte ein solches Signal nicht geliefert und hier wäre kein Fall von Narkolepsie als Impfkomplikation gemeldet oder anerkannt worden. Frau Prof. Dr. G. komme in ihren Ausführungen zur Studienlage zum Zusammenhang CFS und Impfungen auch auf die Arbeiten von Shoenfeld et al. zum ASIA-Syndrom zu sprechen. Es würden allerdings nicht die aktuellsten Arbeiten zitiert. Eine gute Zusammenfassung liefere das im Juni 2015 veröffentlichte Lehrbuch Vaccines and Autoimmunity von Shoenfeld et al. (Ablin JN, Buskila D: Fibromyalgia, Chronic Fatigue, Functional Disorder and Vaccination: Where do we stand? In Vaccines and Autoimmunity, Edited by Shoenfeld et al. Wiley, S. 331 ff, 6/ 2015). Aufgrund dieser Schwächen sei das Gutachten von Frau Prof. G. nicht geeignet, den kausalen Zusammenhang zwischen CFS-Erkrankung und den angeschuldigten Impfungen im Fall von Frau A. zu verneinen.

Bei der Klägerin habe und liege noch immer vor eine myalgische Enzephalitis/chronische Müdigkeit vor. Diese habe unmittelbar nach den angeschuldigten Impfungen begonnen. Es bestünden chronische Müdigkeit und dauerhafte Schmerzen. Die ME/CFS-Erkrankung sei wie dargelegt wahrscheinlich durch eine pathologische Aktivierung des Immunsystems durch im Impfstoff enthaltene Adjuvantien ausgelöst worden und wäre ohne eine solche Impfung vermutlich nicht aufgetreten.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat das SG ein Gutachten bei Dr. B. eingeholt.

Dieser hat im Gutachten vom 20.6.2016 folgende Diagnosen gestellt:

V.a. Autoimmune Neuropathie nach Impfung G62.8, Orthostasesyndrom mit Hypotonie I95.1, Sympathikusinsuffizienz G90.8, Chronisches Schmerzsyndrom, z.B. neurogen R52.1, Chronisches Fatiguesyndrom G93.3, Hypothalamische Dsyfunktion E23.3, Vitamin D3-Mangel E55.9.

Die klinische Symptomatik der Klägerin habe unmittelbar nach der Doppelimpfung mit dem Hepatitis-Impfstoff Havrix und dem Grippe-Impfstoff Pandemrix im November 2009 begonnen. Vorerkrankungen oder familiäre Belastungen, die ein erkennbares Risiko für die damals initiierte Symptomatik darstellten, seien nicht existent. Der Impfung sei keine Infektion vorausgegangen. Entsprechende Schädigungen nach Impfungen seien bekannt, speziell auch bekannt nach Havrix und Pandemrix.

Die Symptomatik der Erkrankung der Klägerin erfülle die Kriterien eines chronischen Müdigkeitssyndroms (CFS), heute auch gern als ME/CFS bezeichnet (Myalgische Enzephalitis/Chronisches Fatiguesyndrom), wobei der diagnostische Zusatz „ME“ umstritten sei. Er - der Sachverständige - befasse sich seit 21 Jahren mit der Diagnostik des CFS und seit 14 Jahren auch mit der Behandlung von CFS-Patienten. In keinem Fall entspreche die Entwicklung der Symptomatik bei CFS derjenigen der Klägerin, auch wenn nahezu alle diagnostischen Kriterien des CFS bei ihr zu finden seien. Der plötzliche Beginn, die vorherrschende Schmerzsymptomatik, die Dominanz der somatischen Fatigue und das Fehlen infektartiger Symptomatik (Fieber, Lymphknotenschwellungen) sprächen gegen ein klassisches idiopathisches chronisches Fatiguesyndrom. CFS sei eine Symptomsammlung, die durch unterschiedliche Grunderkrankungen hervorgerufen werden könne, krankheitstypische oder gar beweisende Kriterien fehlten.

Auch bei der Klägerin fänden sich weitgehend uncharakteristische Befunde, die zwar bewiesen, dass ihr Gesundheitszustand beeinträchtigt sei, die jedoch nicht die Kriterien einer bekannten, definierten Krankheit erfüllten. Die Befunde passten jedoch in der Summe am ehesten zum Bild einer autonomen, z.B. autoimmunen Neuropathie: Osthostasesyndrom,Symathikusschwäche, hypothalamische Dysfunktion mit tertiärem Hypocortisolismus, Mangel an Pregnenolon(sulfat), diskrete Immunaktivierungszeichen (NFkB), Antikörper gegen Neuroantigene (Ganglioside).

Bei der Klägerin seien zwei Impfstoffe verwendet worden, die unspezifische Adjuvantien enthielten, insbesondere Aluminiumhydoxid in Havrix und AS03 in Pandemrix. AS03 enthalte Squalen und Polysorbat 80. Unmittelbar danach habe ihre Erkrankung begonnen.

Die Fachinformationen beider Impfstoffe wiesen auf die Möglichkeit der Impfkomplikation mit Arthralgien, Myalgien, Paresen, Hypotonie, Neuralgien, Autoimmun-Neuropathien bis zum Guillain-Barre-Syndrom und zur Enzephalomyelitis hin. Die simultane Verwendung der beiden Impfstoffe mit zwei unterschiedlichen Adjuvantien sei ein zusätzliches Risiko, das mangels einschlägiger wissenschaftlicher Erfahrungsberichte überhaupt nicht einzuschätzen sei. Für das seit langem in vielen Impfstoffen eingesetzte Aluminiumhydroxid lägen vergleichsweise viele Erfahrungen vor; für das in Pandemrix eingesetzte AS03 dagegen wenig, da seine Anwendung in Pandemrix Neuland sei. Dazu komme der Einsatz von Thiomersal in Pandemrix, das ein eigenständiges zusätzliches Risiko für die Entstehung von Impfkomplikationen darstelle. Quecksilber, insbesondere organische Verbindungen von Quecksilber wie Ethylquecksilber im Thiomersal, seien bekannt dafür, dass sie Autoimmunreaktionen auslösen könnten. Für den konkreten Fall mit der parallelen Verwendung dreier potentiell immuntoxischer Stoffe fehle jede Erfahrung.

Den Adjuvantien komme offensichtlich die entscheidende Bedeutung für die Entstehung von schweren Impfkomplikationen zu. Ihre Funktion sei die exponentielle Verstärkung der Immunreaktion auf das Impfantigen, wobei es zu einer massiven inflammatorischen Reaktion mit Bildung eines Inflammasoms komme. Diese inflammatorische Immunaktivierung sei ein wesentliches Element des adjuvanten Effektes von Aluminiumhydroxid in der Impfreaktion.

Die Entzündungsreaktion könne sich u.U. jedoch auch gegen körpereigene Antigene richten und zu passageren oder bleibenden immunologischen Schäden mit Autoimmunreaktionen führen. Das sog „ASIA“-Syndrom als Folge der Adjuvans-verstärkten Impfung sei bereits im wissenschaftlichen Gutachten von Dr. Ha. sehr eingehend und mit den entsprechenden wissenschaftlichen Literaturhinweisen beschrieben worden. Dem sei nichts hinzuzufügen.

Dr. Ha. verweise in seinem Gutachten insbesondere auf die Arbeiten von Shoenfeld, der in seinem Buch: „Vaccines and Immunity“ (2015) auch auf die sog. „Post-Vaccination Phenomena“ hinweise. Nach Adjuvans-verstärkten Impfungen könne es gerade auch zu autoimmun-entzündlich verursachter chronischer Fatigue und generalisierten Schmerzen kommen. Fatigue sei nicht einfach mit Müdigkeit zu übersetzen, wie es in Deutschland gern gemacht werde. Tatsächlich umfasse Fatigue („centraI fatigue“) einen mentalen und physischen Erschöpfungszustand bzw. unerklärliche vorzeitige Erschöpfbarkeit selbst nach geringsten Belastungen. Bei der Fatigue des CFS komme dazu die übermäßig verlängerte Erholungsdauer nach Belastungen, die bis zu Tagen andauern könne.

Für Pandemrix sei der Zusammenhang zwischen Impfung und post-vaccine Autoimmunreaktionen heute zweifelsfrei nachgewiesen, allerdings sehr spezifisch für Narkolepsie als „Pandemrix-Narcolepsy“ (…).

An anderer Stelle sei das Vorkommen von Autoantikörpern gegen neuronale Antigene nach Pandemrix-Impfung untersucht und speziell ein Zusammenhang mit dem Vorkommen von Gangliosid-Antikörpern gezeigt worden (…).

Auch für die Hepatitis-Impfung sei das Autoimmun-inflammatorische Syndrom (ASIA) als Impffolge beschrieben worden (…). In 93 Fällen habe die Latenzzeit zwischen der letzten Impfung und dem Auftreten von Symptomen bei 43,2 Tagen gelegen! Häufigste Symptome seien Fatigue, mukokutane und muskuloskeletäre Schmerzen, neuropsychiatrische Symptome gewesen.

Bei 19 Patienten sei CFS mit Fibromyalgie nach Hepatitis B-Impfung beschrieben worden (…). Die durchschnittliche Latenzzeit bis zur klinischen Manifestation habe bei 38,6 Tagen gelegen; die Symptomatik umfasse vor allem neurologische Manifestationen, musculoskeletale Beschwerden, Fatigue und gastrointestinale Symptome.

In einer großen umfassenden kalifornischen Untersuchung sei das Vorkommen von ZNS-Autoimmunsyndromen nach Impfungen, insbesondere auch Hepatitis- oder HPV-Impfun-gen, untersucht worden (…). Das Erkrankungsrisiko nach jeglicher Art von Impfung sei mit einer Odds Ratio von 2,32 gefunden worden.

In 10 Fällen sei die Entwicklung einer autoimmunen Polymyalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis nach Influenzaimpfung beschrieben worden (…).

Ein aktuelles Statement der CDC (Centers for Disease Control and Prevention: http://www. cdc.gov/vaccinesafety/Vaccines/multiplevaccines.htmD) stelle fest, dass jede Impfung zu Nebenwirkungen führen könne: Any Vaccine can cause side effects".

Mit dieser Feststellung sei nach Überzeugung des Gutachters die Erkrankung der Klägerin klassifiziert. Zahlreiche Publikationen, von denen nur einige aufgeführt worden seien, belegten das Vorkommen von leichten bis schweren Komplikationen nach Impfungen. Die Komplikationen könnten passager oder dauerhaft sein. Adiuvantien seien als entscheidende Trigger von schweren post-vaccinen Autoimmunreaktionen identifiziert. Die Autoimmunreaktionen nach Impfungen könnten leicht (Autoimmunphänomene) bis schwer (autoimmune Neuropathien) oder sehr schwer (demyelinisierende ZNS-Autoimmunopathien bis zur Multiplen Sklerose, Enzephalitis) verlaufen. Es gebe kein einheitliches Muster, jeder Fall von Impfkomplikationen sei ein Einzelfall. Die Diagnostik der Autoimmunopathien nach Impfungen sei problematisch, sichere diagnostische Marker fehlten. Die Labordiagnostik speziell sei bei autoimmunen Neuropathien oft wenig zielführend. Es sei vom Sachverständigen versucht worden, die Labordiagnostik nach aktuellem Stand der Technik möglichst umfassend durchdurchzuführen. Dabei hätten sich einzelne sehr diskrete Hinweise wie proinflammatorische Genaktivierung (NF-kB), einzelne Gangliosid-Autoan-tikörper, hypothalamische Dysfunktion, Sympathikusschwäche, Orthostasesyndrom, die auf die neuropathische Natur der Erkrankung hinweisen, ergeben. Das Ausmaß der Erkrankung sei jedoch damit nicht einmal annähernd zu beschreiben.

Die Literatur der Impfschäden zeige, dass die wichtigsten klinischen Manifestationen die Fatigue und muskuloskelettale Schmerzen seien. Beides stehe auch bei der Krankheit der Klägerin im Vordergrund.

Auch wenn bei der Klägerin viele Kriterien des CFS erfüllt seien, sei dies kein Beleg für CFS bei ihr. Die Diagnose eines CFS basiere auf einem nicht-spezifischen Kriterienkatalog, wobei eine Ursache nicht erkennbar sei. CFS sei die Beschreibung einer idiopathischen Fatigueform. Bei der Klägerin sei die Ursache der Erkrankung jedoch klar. Abrupter Beginn, Verlauf und Rangfolge der Symptomatik seien darüber hinaus nicht CFS-typisch.

Eine andere Ursache für das Beschwerdebild als die Doppelimpfung im November 2009 sei nicht erkennbar, sei auch zu keinem Zeitpunkt vor und seit 2009 bis heute erkennbar gewesen. Da also das Beschwerdebild typisch für Impfschäden sei, keine andere Ursache vorhanden sei und der zeitliche Zusammenhang zwischen Impfung und Beginn der Beschwerden überzeugend sei, könne die Impfung als Ursache der Erkrankung nicht bestritten werden.

Für die Annahme, dass die Gesundheitsstörung Folge einer bestimmten Noxe sei, genüge auch versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Nach wissenschaftlichen Kriterien spreche bei der Klägerin in jedem Fall mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang.

Die Doppelimpfung sei danach zweifelsfrei Ursache der Erkrankung.

Die Einholung eines weiteren Gutachtens werde auf keinen Fall für erforderlich gehalten.

Nachdem der ÄD unter dem 2.1.2012 Einwendungen geäußert hatte, hat Dr. B. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 31.8.2016 ausgeführt, der ÄD mache es sich mit seinem pauschalen Statement reichlich einfach. Er vermeide in schlichter Wiederholung einiger weniger Sätze des Gutachtens die inhaltliche Auseinandersetzung. Ein „gültiges pathogenetisches Konzept“ von Impfschäden könne nicht vorgelegt werden, weil es das bis heute schlicht nicht gebe. Der „Zusammenhang mit den Impfungen“ sei in der Tat mit heutigem Wissenstand „nicht beweisbar“. Diese Tatsache könne jedoch nicht als Totschlagargument gegen die Betroffene verwendet werden.

1. Ohne eine beweisbare Kausalität komme es auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung und die Erfahrungswerte zu Impfungen bzgl. Häufigkeit und Art von Impfkomplikationen an. Nur der direkte zeitliche Zusammenhang zwischen auslösendem Ereignis (Impfung) und klinischer Symptomatik (Impfschaden) könne festgestellt werden. Dieser zeitliche Zusammenhang liege hier zweifelsfrei vor. Der zeitliche Zusammenhang sei in diesem Fall sogar so eng (Stunden), dass die Ursache-Wirkungsbeziehung nur dann in Frage gestellt werden könne, wenn vorher oder zum Zeitpunkt der Erkrankung andere Krankheitsrisiken oder -ursachen vorhanden oder wenigstens erkennbar gewesen wären. Dies sei nicht der Fall.

2. Neben dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung sei bei fehlendem „gültigem pathogenetischen Konzept“ die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens der individuellen Impffolgen in Betracht zu ziehen. Hierzu seien die reichlich vorhandenen Erfahrungswerte über Impffolgen maßgeblich. Dabei sei hervorzuheben, dass die Impffolgen in Symptomatik, Dauer und Stärke sehr variabel sein könnten, ohne dass die Pathogenese im Einzelnen zu beweisen wäre. Selbst im Falle der jüngsten Folgen nach Pandemrix-Impfungen in Finnland seien die Schädigungen (Narkolepsien) nicht durch ein „gültiges pathogenetisches Konzept“ zu begründen, vielmehr sei allein die Häufung der Komplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen ausschlaggebend und habe erstmals zur Anerkennung von Narkolepsien als direkte Impffolge geführt.

Die Symptomatik, die die Klägerin nach den Impfungen entwickelt habe, passe in vollem Umfang zum Spektrum bekannter Impffolgen. In ihrem Fall seien es die zentrale und periphere chronische Fatigue, die Myalgien, das generalisierte Schmerzsyndrom, intermittierende Paresen, die vegetative Dysregulation mit Hypotonie, Orthostase, anhaltender Übelkeit, Hypersensitivitätsreaktionen (Hyperakusis) und allergische Komplikationen.

Die Befunde passten außerdem zu den generell als Impfreaktionen berichteten Komplikationen wie Immundysfunktion (Inflammation), Autoimmunität (Gangliosidantikörper), Sympathikusschwäche (HRV, Katecholaminmangel), Glutamatexzess, hypothalamische Dysregulation mit tertiärem Hypocortisolismus, Mangel an dem Neurosteroid Pregnenolon(sulfat).

Zusammenfassend sei das Krankheitsbild der Klägerin als autoimmune Polyneuropathie zu interpretieren, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die Mehrfachimpfung (Adjuvantien) induziert worden sei. Dies entspreche der Erfahrung mit Adjuvans-verstärkten Impfungen, wonach es typischerweise auch zu autoimmun-entzünd-lich verursachter chronischer Fatigue und generalisierten Schmerzen kommen könne („Vaccines and Immunity“ von Shoenfeld, 2015).

Das jetzt vorgelegte sozialmedizinische Gutachten, das sich weitestgehend auf die Auflistung von Statements seines Gutachtens beschränke, sei an argumentativer Dürftigkeit kaum zu überbieten. Es könne keinesfalls den zwingenden Zusammenhang zwischen Ursache (Impfung) und Folgen (Krankheit) verwischen.

Nachdem der ÄD in Stellungnahmen vom 19.9.2016 und 21.10.2016 daran festgehalten hatte, dass ein Zusammenhang zwischen dem Fatigue-Syndrom und den Impfungen weiterhin nicht mit Sicherheit hergestellt werden könne, hat Dr. B. sich in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 17.2.2017 zu einem von der Klägerin vorgelegten Fragenkatalog geäußert:

Bei der Klägerin bestehe eine chronische zentrale und periphere chronische Fatigue von mehr als 6 Monaten Dauer und hochgradige Leistungseinschränkung. Damit seien die beiden Hauptkriterien eines chronischen Fatiguesyndroms erfüllt. Dazu kämen weitere relevante „Nebenkriterien“ des chronischen Fatiguesyndroms wie das generalisierte Schmerzsyndrom, die vegetative Dysfunktion, das schwere Orthostase-Syndrom, Hypersensitivitätsreaktionen (Hyperakusis) und Allergien.

Die genannten Kriterien seien voll/mehr als voll ausreichend, um das Krankheitsbild eines chronischen Fatiguesyndroms zu bestimmen.

Die Klägerin sei hochqualifizierte Krankenschwester. Als medizinisch Fachkundige sei sie in sehr nachvollziehbarer Weise darauf eingestellt, neu auftretende gesundheitliche Probleme selbst zu bewältigen und nicht sofort ärztliche Hilfe zu suchen. Es spreche für ihr hochgradiges Arbeitsethos, dass sie ärztliche Hilfe erst gesucht habe, als der ungewöhnliche Charakter ihrer Erkrankung nicht mehr zu verkennen gewesen sei. Sie habe keinesfalls schon früh nach Auftreten der Beschwerden damit rechnen können, dass diese chronisch verlaufen würden.

Wie bereits im Gutachten und erneut ausführlicher und dezidierter in der ersten ergänzenden Stellungnahme betont, spreche alles dafür, dass die Erkrankung durch die Impfungen ausgelöst worden sei. Dafür spreche u.a. der zeitliche Zusammenhang zwischen Impfung und Beginn der Symptomatik; der chronische Verlauf der Erkrankung mit komplexer Symptomatik; die diagnostischen Befunde, die zum Krankheitsbild passten und, die Dokumentation vergleichbarer Fälle von Impfschäden in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur.

Das wissenschaftliche Verständnis chronischer Fatiguesyndrome sei bis heute lückenhaft. Der aktuell am meisten diskutierte Pathomechanismus gehe von einer fundamentalen Störung der immunologischen Balance als Auslöser der Erkrankung aus. Der Auslöser könne vielfältig sein, vor allem Infektion, chronische Entzündung, Impfung, chronischer Stress oder Tumorerkrankung. Die Störung der immunologischen Homöostase triggere die Entstehung von Autoimmunreaktionen, die dann die komplexe Krankheitssymptomatik verursachten. Andere Vorstellungen zur Pathogenese der chronischen Fatiguesyndrome wie direkte Infektionswirkungen, die Folge toxischer Einflüsse, Hormonstörungen oder mitochondriale Dysfunktionen seien diskutiert worden und würden diskutiert, seien aber weniger belegt. Die speziell in Deutschland hartnäckig verfolgte Idee von chronischem Fatiguesyndrom als einer somatoformen Gesundheitsstörung habe international keine wissenschaftliche Legitimation. lm vorliegenden Fall schieden chronische Infektion, Hormonstörung (speziell Hypothreose, Hypogonadismus, Nebenniereninsuffizienz), chronische Entzündung, Mitochondriopathie oder Tumor als Ursache aus.

(…)

Nach Wissen des Sachverständigen sei die Klägerin bis zu den zwei Impfungen ausgesprochen gesund gewesen. Gesundheitsstörungen vor und zum Zeitpunkt der Impfungen seien nicht vorhanden gewesen.

Das SG hat nach Befragung von Dr. B. in der mündlichen Verhandlung am 30.8.2017 durch Urteil den Bescheid vom 29.5.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2013 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin das CFS als Impfschaden im Sinne des IfSG anzuerkennen.

Gegen das ihm am 12.10.2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.10.2017 Berufung eingelegt.

Der Vollbeweis der gesundheitlichen Schädigung durch Auftreten einer unüblichen Impfreaktion in engem zeitlichem Zusammenhang zu der Impfung im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG sei vorliegend nicht erbracht.

Die Klägerin habe sich erst 4 Wochen nach Vornahme der Impfungen erstmals bei einem Arzt vorgestellt, sodass bereits die unübliche Impfreaktion nicht nachgewiesen sei. Es komme dabei nicht auf die persönliche Sicht des Gutachters an, ob dieser es für schlüssig halte, dass die Klägerin sich erst nach 4 Wochen in der Arztpraxis vorgestellt habe (s. ergänzende Stellungnahme von Herrn Dr. B. vom 17.02.2017). Dies sei rein spekulativ. Zudem hätte gerade einer ausgebildeten Krankenschwester bekannt sein müssen, dass man sich bei auftretenden Nebenwirkungen unverzüglich an einen Arzt oder Apotheker zu wenden habe. Daher könne es auch im Verfahren niemals auf § 15 KOVVfG ankommen, da die Klägerin den Beweisnotstand selbst zu verschulden habe. Auf das Vorliegen einer haftungsbegründenden Kausalität kommt es mangels gesundheitlicher Schädigung daher bereits nicht mehr an.

Selbst wenn man jedoch von dem Vorliegen einer gesundheitlichen Schädigung ausgehen würde, komme es bei der Beweisführung u.a. auch wesentlich auf die Kausalität zwischen Impfschaden und entsprechender Impfung an. Zur Ermittlung der einschlägigen herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung seien die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht (AHP), herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, heranzuziehen. Diese hätten auch hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung im Versorgungsrecht rechtsnormähnliche Wirkung. Die AHP enthielten keine eigenen Ausführungen zu möglichen Impfkomplikationen bzw. Impfschäden, sondern sie verwiesen diesbezüglich auf die Arbeitsergebnisse der Ständigen Impfkommission (STIKO) des D.s. Die Auffassungen des RKI seien daher als herrschende medizinische Lehrmeinung zur Beurteilung des Kausalzusammenhanges anzusehen (LSG Niedersachsen-Bremen 26.2.2008 - L 5 Vl 2/02, L 5 Vl 2/02, Anlage 3). Es sei daher zur Klärung der haftungsbegründenden Kausalität zunächst überhaupt nicht auf medizinische Gutachten zurückzugreifen. Die Veröffentlichungen der STIKO erfolgten im „Epidemiologischen Bulletin“. Dem Gutachten von Dr. Ha. vom 11.08.2015 seien Auszüge dieses Bulletins zur Aufklärungspflicht über mögliche Nebenwirkungen zu entnehmen. Hierin werde in den Hinweisen für Ärzte zum Aufklärungsbedarf über mögliche unerwünschte Wirkungen bei Schutzimpfungen ausgeführt, dass in Einzelfällen in der medizinischen Fachliteratur über das Auftreten von neurologischen Störungen (..) sowie über Erkrankungen anderer Organe (..) berichtet worden sei, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Hepatitis A Impfung aufgetreten seien. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung sei bei diesen Beobachtungen fraglich. Es könne sich in der Mehrzahl dieser Einzelfallberichte um das zufällige zeitliche Zusammentreffen von miteinander nicht ursächlich verbundenen selbstständigen Ereignissen handeln (S. 17 d. GA). Die gleichzeitige Anwendung von Impfstoffen (auch als Kombinationsimpfstoff bezeichnet) habe nach den bisherigen Erfahrungen kein größeres Impfrisiko als die Einzelimpfungen (AHP 2008, STIKO, siehe hierzu Anlage 1). Dies gelte es bereits aufgrund der rechtsnormähnlichen Wirkung der AHP zu beachten. Sofern der Gutachter Dr. B. in seinem Gutachten also darauf hinweise, dass die simultane Verwendung der beiden Impfstoffe mit zwei unterschiedlichen Adjuvantien ein zusätzliches Risiko darstelle, das mangels einschlägiger wissenschaftlicher Erfahrungsberichte überhaupt nicht einzuschätzen sei (Bl. 347), so sei er bereits zu diesem Zeitpunkt seiner gutachterlichen Stellungnahme nicht mehr im Einklang mit der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung, wodurch das gesamte Gutachten bereits nicht mehr wissenschaftlichen Standards entspreche. Letztlich sei daher bereits aus diesem Grund das Gutachten absolut nicht verwertbar. Auch die Berufsgenossenschaft weise in ihrem Bescheid vom 21.02.2013 bereits darauf hin, dass nach dem E. keine wissenschaftlichen Erkenntnisse bestünden, die Hinweise darauf gäben, dass Impfungen mit den genannten Impfstoffen endokrinologische Veränderungen, insbesondere einen ACTH-Mangel hervorrufen könnten.

Darüber hinaus müsse auch die Schädigungsfolge mit Vollbeweis nachgewiesen sein. Sofern Dr. B. ausführe: „Auch bei Frau A. finden sich weitgehend uncharakteristische Befunde, die zwar beweisen, dass ihr Gesundheitszustand beeinträchtigt ist, die jedoch nicht die Kriterien einer bekannten, definierten Krankheit erfüllen“ und dass die Befunde jedoch am ehesten zum Bild einer autonomen, z.B. autoimmunen Neuropathie, Osthostasesyndrom, Symathikusschwäche, hypothalamischen Dysfunktion mit tertiärem Hypocortisolismus, Mangel an Pregnenolon(sulfat), diskreten Immunaktivierungszeichen (NFkB), Antikörper gegen Neuroantigene (Ganglioside) passten, so genüge diese sprachlich vage Aussage bei weitem nicht, um dem Vollbeweis für das Vorliegen einer Schädigungsfolge zu genügen.

Selbst wenn das Fatiguesyndrom als Schädigungsfolge nachgewiesen wäre, so komme es für die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität auf eine gutachterliche Stellungnahme zunächst überhaupt nicht an. Nach geltender wissenschaftlicher Lehrmeinung sei die Ursache eines Fatiguesyndroms bis heute ungeklärt. Dr. B. schreibe auf die Frage der Klägervertreterin: „Sollte über die Entstehung in der Wissenschaft Ungewissheit herrschen, ist der Pathomechanismus erklärbar und gibt es eine Mindermeinung, die die Auffassung vertritt, dass das Fatiguesyndrom durch die benannten Impfungen ausgelöst wird?" selbst in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.02.2017: „Diese Frage ist ihrer bestimmten Unbestimmtheit bemerkenswert. Meine Antwort, soweit ich die Frage verstehe: Das wissenschaftliche Verständnis chronischer Fatiguesyndrome ist bis heute lückenhaft. Der aktuell am meisten diskutierte Pathomechanismus geht von einer fundamentalen Störung der immunologischen Balance als Auslöser der Erkrankung aus. Der Auslöser kann vielfältig sein, vor allem Infektion, chronische Entzündung, Impfung, chronischer Stress oder Tumorerkrankung. (…)“ Es müsse dem Sachverständigen wohl klar sein, dass er eine haftungsausfüllende Kausalität nach dem Infektionsschutzgesetz nicht allein durch den Ausschluss anderer möglicher Ursachen belegen könne, obwohl über die Entstehung in der Wissenschaft Ungewissheit herrsche.

Zudem müsse auch gesehen werden, dass die Klägerin gerade in ihrem Beruf als Krankenschwester möglicherweise unter chronischem Stress gestanden habe. So sei sie auch weiter zur Arbeit gegangen, trotz dass sie nach ihren Angaben derart beruflich angeschlagen gewesen sei, und habe zusätzlich noch eine berufliche Weiterbildung begonnen.

(…)

Für den Fall der fehlenden Wahrscheinlichkeit, weil über die Ursache des festgestellten Leidens Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft bestehe, könne eine „Kannversorgung“ nach § 61 S. 2 IfSG in Betracht kommen. Eine solche könnte vorliegend auch für das Fatiguesyndrom in Betracht kommen. Seine Ursache sei bis heute nicht geklärt. Dies erkenne auch zutreffend der Gutachter Prof. Dr. Z., der sich sehr ausführlich mit den Grundsätzen des IfSG auseinandersetze und auf die einzige Möglichkeit, nämlich die einer Kann-Versorgung hinweise (s. S. 10-17 des Gutachtens vom 13.06.2015).

Aber auch die Möglichkeit einer Kann-Versorgung sei für das Fatiguesyndrom durch das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 30.01.2008 abgelehnt worden mit der Begründung, dass das „Konzept eines „chronischen Müdigkeitssyndroms“ in der medizinischen Wissenschaft bisher nicht so konsolidiert sei, dass es nach den Anhaltspunkten Nr. 39 einer Kann-Versorgung zugrundgelegt werden könnte“ (LSG Sachsen-Anhalt 7. Senat, Urt. v. 30.01.2008, siehe Anlage 6). Die "gute Möglichkeit", die nach der neueren Rechtsprechung des BSG (SozR 4-3200 § 81 Nr. 5) Maßstab für die Kausalitätsbeurteilung bei der Kann-Versorgung sei, werde nicht dadurch begründet, dass ein einzelner Sachverständiger eine theoretische Möglichkeit in Erwägung ziehe, die aber im Epidemiologischen Bulletin des D.s weder empirisch belegt, benannt oder nur theoretisch in Erwägung gezogen werde (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13.12.2012, L 6 VJ 1702/12).

Darüber hinaus würde eine Kann-Versorgung ebenfalls zunächst voraussetzen, dass eine gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion) und die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen sei, was vorliegend jedoch bereits abzulehnen sei.

(…)

Letztlich sei festzustellen, dass lediglich die Sachverständigen Ha. und B. zu dem Ergebnis kämen, ein Impfschaden sei wahrscheinlich. Diese beurteilten jedoch die Wahrscheinlichkeit nach den Kriterien der WHO und nicht nach dem IfSG. In dem Urteil des Sozialgerichts für das Saarland sei bisher nicht begründet worden, worin das Gericht den Vollbeweis einer gesundheitlichen Schädigung (unübliche Impfreaktion) sehe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 30.8.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hat zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft. Es komme nicht darauf an, ob die ersten Symptome des CFS ärztlicherseits dokumentiert worden seien. Sie sei davon ausgegangen, dass die Symptome wieder abklingen würden. Dies sei bei einigen Personen im Bekanntenkreis, die sich ebenfalls hätten impfen lassen, auch der Fall gewesen. Es sei auf § 15 KOVVfG zu verweisen. Auf ein Verschulden komme es nicht an, weil keine Unterlagen verloren gegangen seien. Ihr Vortrag sei auch glaubhaft, weil sie von Anfang an dieselben Angaben gemacht habe.

Nach dem Gutachten von Dr. Ste. lägen die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung vor. Gegenwärtig existierten zu der Erkrankung CFS/Myalgische Enzephalomyelitis definitiv keine Studien oder gesicherten Auffassungen, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen – insbesondere zur Pandemriximpfung – widerlegten. Die aktuelle medizinische Lehrmeinung gehe davon aus, dass eine theoretisch begründete Möglichkeit des Zusammenhangs zwischen der Impfung und der Erkrankung in Arbeitshypothesen in Erwägung gezogen werde. Es sei deshalb notwendig, den Sachverhalt weiter aufzuklären, und einen Sachverständigen mit besonderer Fachkunde auf dem Gebiet der Erkrankung CFS/myalgische Encephalomyelitis mit einzubeziehen. Ein Großteil der auf diesem Gebiet forschenden Fachmediziner gehe aktuell aufgrund medizinisch wissenschaftlicher Erkenntnisse von einer neuroimmunologischen Erkrankung aus, bei der eine Infektion oder auch eine Impfung eine fehlgeleitete Immunreaktion auslöse, die nicht mehr abgeschaltet werden könne.

Nach den AHP seien die Grundlage für die medizinische Beurteilung die von der herrschenden medizinischen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese. Es lägen gesicherte Erkenntnisse vor, dass das CFS/Myalgische Encephalomyelitis auf einer postinfektiösen Genese beruhe, da man festgestellt habe, dass in 2/3 der Fälle dem Krankheitsbeginn eine Infektion vorausgehe, die mit grippalen Symptomen oder einer grippeartigen Erkrankung beginne und bei vormals gesunden Personen abrupt einsetze. Zudem finde sich gerade bei diesen Fällen eine Immundysregulation in Form einer chronischen Aktivierung des Immunsystems.

Nach der Kann-Versorgung gelte: „Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss der Gutachter beurteilen, ob der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist.“ Die Rolle verschiedener viraler und bakterieller Infektionserreger sei für die Auslösung (Triggerung) eines CFS/Myalgischer Encephalomyelitis weitgehend anerkannt und werde als wahrscheinlich angenommen. Ohne weitere medizinische Aufklärung blieben weitere Erkenntnisse hinsichtlich der Äthiologie und Pathogenese zu CFS unberücksichtigt.

Zudem bestehe Grund zur Annahme, dass eine weitere medizinische Aufklärung auch zu einer anderen Beurteilung führe. (…)

Die niedrigere Schwelle der Kann-Versorgung sei bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belege (BSG Urteil vom 12.12.1995, 9 RV 17/94, Urteil vom 17.7.2008, B 9/9a VS 5/06 R) und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeuge („Mindermeinung“). Dies sei hier der Fall.

12 Experten auf dem Gebiet des CFS zögen als Ursache dieser Erkrankung Impfungen als Auslöser ernsthaft in Betracht (…). Die Auffassung werde auch sonst vertreten. Von einem Autor sei eine Fülle von anekdotischen Fallberichten zu CFS und Influenzaimpfung beschrieben worden. Ein eingeschränkter Kreis der Fachmediziner sei überzeugt, was ausreichend sei.

Es seien auch zwei Impfstoffe verwendet worden, die üblicherweise nicht kombiniert würden. Die Pandemrix-Impfung sei aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkung vom Markt genommen worden.

Auf Anfrage des Senats hat das E. (Prof. Dr. V.) unter dem 14.11.2019 u.a. ausgeführt, die Ursache des CFS sei unklar, postuliert würden virologische, myogene, immunologische, autonom-neurologische, umweltmedizinische und psychische Hypothesen, von denen keine bisher bestätigt worden sei. Es bestünden keine spezifischen Behandlungsmöglichkeiten.

In der Fachinformation von Havrix 1440® sei „Müdigkeit“ als sehr häufige (d.h. bei ≥ 10 % der Impflinge auftretende) Nebenwirkung aufgeführt, die in klinischen Studien beobachtet worden sei. Damit sei die Möglichkeit gemeint, die kurz nach Impfung akut auftrete und in der Regel binnen weniger Tage abklinge. CFS sei weder im Rahmen von klinischen Studien noch im Post-Marketing-Bereich nach Impfung mit Havrix 1440® beobachtet worden.

In der Fachliteratur gebe es Berichte über postinfektiöse Erschöpfung im Zuge einer Hepathitis A/B-Infektion. Daneben würden Aluminiumverbindungen, die in Totimpfstoffen als Impfverstärker eingesetzt würden, darunter auch in Havrix 1440® (hydratisiertes Aluminiumhydroxid 0,5 mg ), mit Makrophagischer Myofaszitis (MMF) bzw. CFS/ME in Verbindung gebracht. Nach dem aktuellen Stand des Wissens könne man aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten zurzeit nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass ein erhöhtes Risiko für CFS/ME nach Impfung mit aluminiumadjuvanshaltigen Totimpfstoffen bestehe. Zu dieser Fragestellung seien weitere Studien erforderlich.

In der Fachinformation von Pandemrix® werde „Mattigkeit“ als sehr häufige (d.h. bei ≥ 10 % der Impflinge auftretende) Nebenwirkung aufgeführt, die in Klinischen Studien beobachtet worden sei. Damit sei eine Mattigkeit gemeint, die kurz nach Impfung akut auftrete und in der Regel binnen weniger Tage abklinge. CFS sei im Rahmen von klinischen Studien nicht nach Impfung mit Pandemrix® beobachtet worden. Pandemrix® enthalte als Impfverstärker keine Aluminiumverbindung, sondern ein neuartiges Adjuvans, AS03, bestehend aus Squalen (10,69 mg), DL-α-Tocopherol (11,86 mg) und Polysorbat 80 (4,86 mg).

In der Fachliteratur sei der Fall eines Jugendlichen beschrieben, der nach Infektion mit Influenza A(H1N1) ein CFS entwickelt habe. In einer in Norwegen durchgeführten datenbankbasierten Kohortenstudie sei die Infektion mit pandemischer Influenza A (H1N1) mit einem mehr als 2-fach erhöhten Risiko für CFS/ME assoziiert, während kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für CFS/ME nach Impfung gegen die pandemische Influenza A (N1N1) gefunden worden sei.

Mehrere epidemiologische Studien, darunter auch die Deutsche Narkolepsie-Studie, wiesen auf ein signifikant erhöhtes Risiko für Narkolepsie nach Impfung gegen die pandemische Influenza A (H1N1) mit dem Impfstoff Pandemrix® hin. Eine Übersicht über die relevanten Publikationen zu dem Thema finde man auf der Homepage des PEI.

Beide vom E. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) durchgeführten pharmakoepidemiologischen Studien seien veröffentlicht. Eine kurze Zusammenfassung der Studienergebnisse könne auf der Homepage des PEI gefunden werden.

Narkolepsie sei eine seltene Schlaf-Wach-Störung, die durch die Kernsymptome exzessive Tagesschläfrigkeit und Kataplexe (plötzlicher Verlust des Muskeltonus durch starke Gefühle) gekennzeichnet sei. Des Weiteren könnten folgende Symptome auftreten: imperative Schlafattacken, Sekundenschlaf, Albträume, Halluzinationen beim Einschlafen und/oder Aufwachen, automatisches Verhalten sowie starke Gewichtszunahme.

Obwohl CFS und Narkolepsie einige Symptome wie z.B. gesteigerte Tagesmüdigkeit oder Aufmerksamkeitsdefizit gemeinsam hätten, sei CFS eine andere Krankheitsentität. Die Ergebnisse der oben genannten Studien zum Zusammenhang zwischen der Impfung mit Pandemrix® und Narkolepsie seien nach heutigem Stand des Wissens nicht auf CFS übertragbar.

In der Zusammenschau der wissenschaftlichen Erkenntnisse gebe es keine eindeutigen Belege für einen kausalen Zusammenhang zwischen den Impfungen mit Havrix 1440® bzw. Pandemrix® und CFS.

Es sei darauf hinzuweisen, dass das PEI keine Impfschäden beurteile und keine Begutachtung im Rahmen des Sozialen Entschädigungsrechts vornehme, sondern nach Aktenlage lediglich den gemeldeten Verdacht einer Impfkomplikation im Hinblick auf die Nutzung-Risiko-Bewertung des Impfstoffs beurteile. Das PEI prüfe damit, ob sich aus der Meldung über den Verdacht einer Nebenwirkung Signale im Hinblick auf Arzneimittelrisiken ergäben. Dabei würden alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen und alle Verdachtsfallmeldungen einer Impfkomplikation berücksichtigt, die im PEI eingegangen seien, unabhängig von der Bewertung des Einzelfalls.

Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, ME/CFS sei klar als neurologische Erkrankung unter sonstigen Krankheiten des Gehirns klassifiziert. Somit sei es fehlerhaft, die anerkannte Krankheit „Myalgische Enzephalomyelitis(ME)/Chronic Fatigue Syndrome (CFS)“ in einer Leitlinie, die lediglich die Symptome Müdigkeit beinhalte, zu klassifizieren. (…)

Im Hinblick auf Havrix 1440 gehe das PEI lediglich auf die häufige Nebenwirkung Müdigkeit ein. Auf weitere potentielle Nebenwirkungen gehe das PEI nicht ein. Nach dem Beipackzettel von Havrix träten zahlreiche Nebenwirkungen auf (…). Über weitere Nebenwirkungen sei nach Markteinführung von Havrix berichtet worden.

Im Hinblick auf Pandemrix gehe das PEI lediglich auf die Nebenwirkung Mattigkeit ein. Es gebe offiziell weitere Nebenwirkungen, die bei der Klägerin auch vorlägen.

Es sei bewiesen, dass der Immunverstärker, den der Pharmakonzern GLK dem Impfstoff Pandemrix zugesetzt habe, ungenügend abgeklärt gewesen sei bzw. nicht getestet gewesen sei. Trotzdem hätten die Behörden ihn zugelassen. Bis zum 2.12.2009 seien bei GSK bereits 1138 schwere Nebenwirkungen von Pandemrix registriert gewesen, bis Mitte Dezember 2009 seien es 3280 gewesen, bis Ende März 201 insgesamt 5069. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Ärzte höchstens zehn Prozent der auftretenden Nebenwirkungen meldeten. Es sei eine Doppelimpfung Pandemrix und Havrix zur gleichen Zeit durchgeführt worden. Es lägen keine Daten zur gleichzeitigen Verabreichung von Pandemrix mit anderen Impfstoffen vor. Das Arzneimittel Pandemrix habe keine Zulassung mehr.

Nach Fachärzten, die sich mit dem Krankheitsbild „CFS“ auskennen würden, liege die Ursache, dass es nach „aktuellem Stand der Wissenschaft keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für CFS/ME nach Impfung mit Totimpfstoffen bestehe“, darin, dass die Ärzte die Krankheiten nicht erkennen würden bzw. fehlinterpretierten. Ca. 90 % der Ärzte könnten CFS überhaupt nicht diagnostizieren. Außerdem gebe es keinerlei Studien zu Wechselwirkungen der verabreichten Impfungen wie im Fall der Klägerin. Es stelle sich die Frage, wie ein aussagekräftiger Wissensstand entstehen solle, wenn wie im Fall der Klägerin so mit den Erkenntnissen umgegangen werde? Die Aussage Prof. Dr. V., dass eine chronische Müdigkeit nicht durch im Impfstoff enthaltene Adjuvantien ausgelöst werden könne, sei nicht richtig. Die Auswirkungen solcher Adjuvantien seien bekannt und wissenschaftlich erwiesen. (…) In Frankreich sei bewiesen und anerkannt, dass Adjuvantien wie Aluminium zu CFS führten.

Es sei ausführlich dargestellt worden, dass durch die gleichzeitige Verabreichung der Pandemrix-Impfung und der Havrix 1440-Impfung das CFS verursacht worden sei. Üblicherweise würden diese Impfstoffe nicht kombiniert. Der vorliegende Sonderfall beinhalte die Wechselwirkung zweier Impfungen mit starken Adjuvantien. Hierzu gebe es keine Studien. Es sei eine Einzelfallprüfung. Daher gingen die Ausführungen der Gegenseite ins Leere.

Zudem sei vorliegend das „Adjuvance System 03“ ausschließlich im Pandemrix-Impfstoff verwendet worden. Prof. Dr. Sch. verweise auf den Seiten 567-574 darauf, dass CSF-ähnliche Erkrankungen bei gleichzeitig oder kurz hintereinander verabreichten Impfungen mit starken Adjuvantien belegt seien.

Der Berichterstatter des Senats hat mit den Beteiligten am 11.9.2020 einen Erörterungstermin durchgeführt.

Der Beklagte hat danach eine Stellungnahme des ÄD vom 18.9.2020 vorgelegt.

Der ÄD hat ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass Aluminiumsalze oder AS03 CFS bzw. eine Autoimmunreaktion auslösen könnten. Zudem sei die Krankheit CFS selbst umstritten. Es gebe kein überzeugendes Modell, welches die Genese eindeutig zu erklären fähig wäre. Es gebe in der differentialen Diagnostik mehrere somatische Krankheiten wie chronische Infektionen, hormonelle Störungen etc. oder psychosomatische Erkrankungen. Insbesondere gebe es signifikante Überschneidungen mit Major Depression oder somatoformen Störungen, weswegen bei chronischer Müdigkeit Übungsbehandlungen, Antidepressiva und Psychotherapie eingesetzt würden. Es gebe keine ausreichenden Beweise, die die Annahme eines CFS als eigenständige Erkrankung begründen könnten.

In den letzten Jahren werde eine Reihe von klinischen Zuständen einschließlich Nebenwirkungen nach einer Impfung in einem Syndrom (ASIA-Autoimmun/Inflammatory Syndrom induced by Adjuvants oder Shoenfeld`s Syndrom) zusammengefasst. Auch eine solche Reaktion sei nicht nachgewiesen. Shoenfeld habe für die Diagnose eines ASIA-Syndroms bestimmte Kriterien vorgeschlagen. Es müsse demnach neben zwei Major-Kriterien mindestens ein Minor-Kriterium vorhanden sein. Diese seien Antikörper gegen den verdächtigen Adjuvant, Spezifischer HLA, Triggern einer autoimmunen Erkrankung wie multiple Sklerose oder systemische Sklerose und andere Erkrankungen. Das vorgetragene chronische Müdigkeitssyndrom allein könne hiernach die Kriterien eines ASIA-Syndroms nicht erfüllen. Daher könne nicht von einer haftungsausfüllenden Kausalität ausgegangen werden.

Auch wegen der zeitnahen Gabe von Havrix und Pandemrix könne nicht pauschal von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit möglicher Nebenwirkungen ausgegangen werden. Die Impfhersteller kombinierten durchaus Adjuvantien, wenn das Sicherheitsprofil es gestatte und dadurch die Wirkstoffdosis weiter vermindert werden könne. Dies sei insbesondere wichtig für ältere Personen, bei denen die Sterblichkeitsrate aufgrund einfacher Infektionen höher sei. Also werde die Kombinationsfähigkeit und -möglichkeit der Adjuvantien bereits im Vorfeld erforscht.

Die Impfung gegen Hepathitis A gehöre nicht zu den Impfungen (gemeint: gehöre zu den Impfungen), die von der STIKO nicht generell, sondern nur für gefährdete Personen empfohlen würden. Hierzu zählten aufgrund der beruflichen Gefährdung im Gesundheitsdienst tätige Personen. Die Hepatitis A-Impfung werde aufgrund der Kosten weniger und gezielter eingesetzt als z.B. die Grippeimpfung. Es könne aber nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass sie sehr selten sei. Im Übrigen gebe es Impfstoffe, die nicht miteinander gegeben würden, weil im Voraus eine Interaktion vermutet werde.

Zur Rechtslage hat der Beklagte vorgetragen, ein Primärschaden im Sinne einer unüblichen Impfreaktion müsse nachweislich vorliegen. Es sei bewusst zwischen primärer gesundheitlicher Schädigung und dem verbleibenden Schaden (Schädigungsfolge) unterschieden worden. § 61 Satz 2 IfSG diene der Anerkennung von Fällen, bei den sich dem Einzelnen geradezu die gute Möglichkeit aufdränge, insbesondere durch entsprechende Belege, aus denen ein vermehrtes Auftreten eines entsprechenden Gesundheitsschadens im Nachgang zu einer Impfung festgestellt werden könne, eine haftungsausfüllende Kausalität jedoch nur aufgrund der Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft über die Ursachen generell von vornherein ausgeschlossen sei. Weswegen in solchen Fällen jedoch andere rechtliche Voraussetzungen an das Vorliegen der gesundheitlichen Schädigung (unübliche Impfreaktion) sowie der haftungsbegründenden Kausalität zu stellen sein sollten, erschließe sich nicht. Die Norm diene lediglich zur Vermeidung einer unbilligen Härte, solle aber nicht zu einer Bevorteilung führen. Würde man dieser Auffassung nicht folgen, müsste in der Folge in allen Fällen, in denen – wann auch immer – ein Gesundheitsschaden mit ungeklärter Ursache aufgetreten sei, ein Impfschaden in Betracht gezogen werden, selbst wenn die Impfung ohne entsprechende Impfreaktion verlaufen sei.

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die zeitnahe Komplikation durch Befundberichte belegt sei. Die Diagnose sei gesichert. Die unübliche Impfreaktion sei die Erkrankung selbst. Ähnlich verhalte es sich bei Narkolepsie, wo irrtümlicherweise von Versorgungsämtern auch unübliche Impfreaktionen verlangt würden (innerhalb von drei Wochen). Diese Anforderungen seien medizinisch nicht haltbar. Auch die Narkolepsie beginne mit zunächst einem sehr starken Schlafbedürfnis. Narkolepsie sei zunächst als Kann-Versorgung anerkannt worden, jetzt werde sie mit Wahrscheinlichkeit anerkannt. Deshalb gingen die Ausführungen der Gegenseite ins Leere, wenn unübliche Impfreaktionen gefordert würden, die es bei dem betreffenden Krankheitsbild gar nicht geben könne.

Nach wie vor sei die Frage offen, ob es wirklich nur eine rein theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs gebe – oder und wofür einiges spreche – der Zusammenhang offen sei und eine theoretisch begründete Möglichkeit in Arbeitshypothesen in Erwägung gezogen werde. Die aktuelle medizinisch wissenschaftliche Lehrmeinung gehe davon aus. Prof. Sch. sehe Infektionen/Impfungen als Auslöser der CFS/ME.

(…)

Ob die Ursache von CFS in einer monokausalen oder eher multifaktoriellen Krankheitsentstehung zu sehen sei, sei derzeit nach medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung noch offen. Einig seien sich jedoch die Mediziner, dass auch bei einer multifaktoriellen Krankheitsentstehung die Infektion (oder auch die Impfung) der Trigger für das Auslösen des CFS sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Beklagten. Der Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.


Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Die Klage ist zwar zulässig (A), aber nicht begründet (B).

A. Die Klage in dem Sinne, wie sie vom SG ausgelegt worden ist (Verpflichtung des Beklagten, bei der Klägerin das CFS als Impfschaden im Sinne des IfSG anzuerkennen), ist zulässig.

Die Klage ist insbesondere statthaft. Zwar wäre auch eine Klage auf unmittelbare gerichtliche Feststellung eines Gesundheitsschadens als Impffolge nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig; § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG lässt entsprechende Feststellungen auch in Fällen zu, in denen es nicht unmittelbar um Schädigungen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes geht, sondern auch in Konstellationen, in denen das Bundesversorgungsgesetz in anderen Gesetzen für anwendbar erklärt wird (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R; Senatsurteil vom 24.2.2021, Az.: L 5 VE 5/18). Geklagt werden kann aber auch auf Verpflichtung der Behörde zu entsprechenden Feststellungen (in diesem Sinne wohl BSG Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R, juris Rn. 12); in § 61 IfSG ist eine „Anerkennung“ von Gesundheitsschäden als Schädigungsfolge ausdrücklich vorgesehen. Auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung kann im Übrigen Klage entweder auf gerichtliche Feststellung oder auf Verpflichtung der Behörde zur Feststellung erhoben werden (BSG Urteil vom 05.07.2011, Az.: B 2 U 17/10 R, juris Rn. 12); warum im Versorgungsrecht etwas anderes gelten sollte, ist nicht erkennbar.

B. Die Klage ist aber nicht begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ein CFS als Impfschaden anzuerkennen; ein Anspruch auf Anerkennung besteht nicht.

Grundlage für die Anerkennung einer Erkrankung als Impfschaden sind die §§ 60, 61 IfSG. Die einschlägigen Regelungen lauten wie folgt:

Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG).

Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 61 Satz 1 IfSG). Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 anerkannt werden (§ 61 Satz 2 IfSG).

Im Sinne des IfSG ist ein Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde (§ 2 Nr. 11 IfSG).

Beim Robert Koch-Institut wird eine Ständige Impfkommission eingerichtet (§ 20 Abs. 2 Satz 1 IfSG). Die Kommission gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten und entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (§ 20 Abs. 2 Satz 3 IfSG).

Die in Frage stehenden Schutzimpfungen mit Pandemrix gegen Neue Influenza A (H1N1, Schweinegrippe) und mit Havrix 1440 gegen Hepatitis A waren von der zuständigen Landesbehörde empfohlen worden.

Der Minister für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales hatte mit der „Bekanntmachung über öffentlich empfohlene Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe im Saarland“ vom 1.9.2008 (Amtsblatt des Saarlandes vom 25.9.2008, Seite 1547) für das Saarland die von der Ständigen Impfkommission am D. (STIKO) empfohlenen Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe für die dort genannten Personenkreise und Indikationen öffentlich empfohlen, soweit nicht Sonderregelungen für das Saarland getroffen wurden. Die öffentliche Empfehlung für das Saarland wurde jeweils mit der Veröffentlichung der Empfehlung der STIKO im Epidemiologischen Bulletin des D.s wirksam. Für das Saarland wurden u.a. folgende Sonderregelungen getroffen: „Influenzaschutzimpfung: Die Impfung wird ohne Einschränkung empfohlen.“ (…) „Für die empfohlenen Schutzimpfungen (…) dürfen grundsätzlich nur Impfstoffe und Medikamente verwendet werden, die vom E. oder von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassen sind. Die einzelnen Chargen müssen auf Grund der staatlichen Chargenprüfung nach § 32 des Arzneimittelgesetzes (…) freigegeben werden oder durch das E. von der Freigebe freigestellt sein.“

Die STIKO hatte im Epidemiologischen Bulletin Nr. 30/2008 vom 25.7.2008 die Hepatitis A-Impfung für Angehörige des Gesundheitsdienstes – wozu die Klägerin gehörte – aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos empfohlen (Seiten 240, 242). Die STIKO hatte außerdem im Epidemiologischen Bulletin Nr. 41/2009 vom 12.10.2009 die Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1) empfohlen (Seite 404). Nach der vom Beklagten eingeholten Mitteilung des PEI waren die konkret eingesetzten Impfstoffe auch freigegeben (§ 32 Arzneimittelgesetz); es kann also davon ausgegangen werden, dass sie auch zugelassen waren (zur Zulassung von Pandemrix: Epidemiologisches Bulletin Nr. 41/2009 Seite 418).

Die in der Bekanntmachung des Ministers für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 1.9.2008 genannten Voraussetzungen für die Empfehlung waren mithin erfüllt.

Die Impfung wurde auch im Bereich der zuständigen Landesbehörde – vom Betriebsarzt des M.krankenhauses St. W. – vorgenommen.

Der Senat kann aber nicht feststellen, dass die Klägerin durch die Impfung eine (dauerhafte) Gesundheitsschädigung erlitten hat. Die Voraussetzungen für die Feststellung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs liegen nicht vor, weder nach § 61 Satz 1 IfSG (I.) noch nach § 61 Satz 2 IfSG im Sinne einer „Kann-Versorgung“ (II.).

I. Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG genügt nach § 61 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.

Die Rechtsprechung des BSG hat dazu folgende Maßstäbe entwickelt:

Es müssen der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche Schädigung, also ein Impfschaden, vorliegen (BSG Urteil vom 7.4.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 36, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2012, Az.: L 6 VJ 1702/12, juris Rn. 26; zur abweichenden Terminologie in der Rechtsprechung des BSG nach dem BSeuchG, wonach als Impfschaden die über die übliche Impfreaktion hinausgehende Schädigung, also das zweite Glied der Kausalkette, bezeichnet wurde: BSG Urteile vom 19.3.1986 Az.: 9a RVi 2/84 und Az. 9a RVi 4/84).

Zwischen den jeweiligen Anspruchsmerkmalen muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Maßstab dafür ist die im sozialen Entschädigungsrecht allgemein (aber auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung) geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägen ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist (BSG Urteil vom 7.4.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 37).

Die Impfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – im sog. Vollbeweis – feststehen; allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus (siehe § 61 Satz 1 IfSG). Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus. Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind (BSG Urteil vom 7.4.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 38).

Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaft¬lichen Erkenntnisstandes zu beantworten (BSG Urteil vom 7.4.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 42).

Bei der jeweils vorzunehmenden Kausalbeurteilung waren im sozialen Entschädigungsrecht die bis Ende 2008 in verschiedenen Fassungen geltenden AHP anzuwenden und zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelte es sich bei den schon seit Jahrzehnten von einem Sachverständigenbeirat beim zuständigen Bundesministerium (jetzt beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)) erarbeiteten und ständig weiterentwickelten AHP insbesondere um eine Zusammenfassung medizinischen Erfahrungswissens und damit um sog antizipierte Sachverständigengutachten. Die AHP waren in den Bereichen des sozialen Entschädigungsrechts und im Schwerbehindertenrecht generell anzuwenden und wirkten dadurch wie eine Rechtsnorm ("normähnlich"). Für den Fall, dass sie nicht mehr den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergaben, waren sie allerdings nicht anwendbar. Dann hatten Verwaltung und Gerichte auf andere Weise den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu ermitteln. Die AHP enthielten seit 1983 unter den Nr. 53 bis 142/143 Hinweise zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen, wobei die Nr. 56 Impfschäden im Allgemeinen und die Nr. 57 Schutzimpfungen im Einzelnen zum Inhalt hatten (vgl. BSG Urteil vom 7.4.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 39).

Die detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen (damals noch als "Impfschaden" bezeichnet) bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 1983 bis 2005 sind allerdings Ende 2006 aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden (Rundschreiben des BMAS vom 12.12.2006 - IV.c.6-48064-3; vgl. auch Nr. 57 AHP 2008):

Die beim D. eingerichtete STIKO entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar.

Die Versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 IfSG und Nr. 56 Abs. 1 AHP) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kannversorgung ist jedoch ausschließlich nach den Kriterien von §§ 60 f IfSG durchzuführen. Siehe dazu auch Nr. 35 bis 52 (Seite 145 bis 169) der AHP (BSG Urteil vom 7.4.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 40).

Die seit dem 1.1.2009 an die Stelle der AHP getretene VersMedV ist eine allgemein verbindliche Rechtsverordnung, die indes, sofern sie Verstöße gegen höherrangige, etwa gesetzliche Vorschriften aufweist, jedenfalls durch die Gerichte nicht angewendet werden darf. Anders als die AHP 1983 bis 2008 enthält die VersMedV keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, sodass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP (2008) zurückgegriffen werden muss oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten genutzt werden müssen (BSG Urteil vom 7.4.2011, Az.: B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 41; hierzu auch Roos, Der Impfschadensprozess – Risiken und Nebenwirkungen, ZFSH SGB 2020, 210, 215; kritisch Meßling in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Auflage 2012, § 61 IfSG Rn. 13).

Ausgehend von diesen Maßstäben braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, ob die erforderliche Impfkomplikation (1.) und ob und ggf. welche (dauerhaften) gesundheitlichen Beeinträchtigungen (2.) vorliegen. Denn es fehlt jedenfalls an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Ursächlichkeit der Impfung für die geltend gemachten dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen (CFS) (3.).

1. Für die Frage, ob bei der Klägerin eine unübliche Impfkomplikation vorliegt, ist nach Vorstehendem auf die Abgrenzung der STIKO zwischen einer üblichen Impfreaktion und dem Verdacht auf eine mögliche Impfkomplikation zurückzugreifen (Epdemiologisches Bulletin Nr. 34/2020 Seite 33 f). Danach wird unter einer Impfkomplikation eine über das übliche Maß hinausgehende gesundheitliche Schädigung verstanden. Um eine Impfkomplikation von einer üblichen Impfreaktion, die nicht meldepflichtig ist, abzugrenzen, hat die STIKO, wie nach § 20 Abs. 2 IfSG gefordert, Merkmale für übliche Impfreaktionen definiert. Übliche und damit nicht meldepflichtige Impfreaktionen sind das übliche Ausmaß nicht überschreitende, vorübergehende Lokal- und Allgemeinreaktionen, die als Ausdruck der Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff anzusehen sind. Die STIKO hat die folgenden Kriterien für übliche Impfreaktionen entwickelt:

- Für die Dauer von 1 bis 3 Tagen (gelegentlich länger) anhaltende Rötung, Schwellung oder Schmerzhaftigkeit an der Injektionsstelle.

- Für die Dauer von 1 bis 3 Tagen Fieber ( 39,5Grad C (bei rektaler Messung), Kopf- und Gliederschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein, Übelkeit, Unruhe, Schwellung der regionären Lymphknoten.

- Im gleichen Sinn zu deutende Symptome einer „Impfkrankheit“ 1 - 3 Wochen nach Verabreichung von attenuierten Lebendimpfstoffen: z.B. eine leichte Parotisschwellung, kurzzeitige Arthralgien oder ein flüchtiges Exanthem nach der Masern-, Mumps-, Röteln- oder Varizellenimpfung oder milde gastrointestinale Beschwerden, z.B. nach der oralen Rotavirus- oder Typhus-Impfung.

- Ausgenommen von der Meldepflicht sind auch Krankheitserscheinungen, denen offensichtlich eine andere Ursache als die Impfung zugrunde liegt. Alle anderen Impfreaktionen sollten gemeldet werden.

Hiervon ausgehend lag bei der Klägerin – jedenfalls nach ihren Beschreibungen – eine Impfkomplikation vor. Nach ihrer Darstellung kam es fast im unmittelbaren Anschluss an die Impfung mit Pandemrix und Harvrix 1440 zu Reaktionen. Die Klägerin gibt an, nach der Impfung fast von Anfang an Beschwerden gehabt zu haben, erste Symptome seien wenige Stunden nach der Impfung aufgetreten. In den folgenden Tagen habe sich das Schwächegefühl derart verstärkt, dass sie sich mehrfach am Tag habe hinlegen müssen. Dies habe auch angehalten.

Nach der Beschreibung der Klägerin handelt es sich um Symptome, die schon wegen ihrer Dauer nicht mehr von den von der STIKO umschriebenen üblichen Impfreaktionen (maximal drei Wochen) umfasst sind. Da die Schilderungen konsistent sind, hat der Senat keinen Anlass, an den Angaben zu zweifeln. Die Klägerin hat auch Ende Dezember 2009 – also noch in einem nachvollziehbaren zeitlichen Zusammenhang zur Impfung – wegen der Symptome einen Arzt aufgesucht.

Selbst wenn man – wie der Beklagte – die Darstellung der Klägerin mangels ärztlicher Befunderhebungen unmittelbar im Anschluss an die Impfung nicht für ausreichend hält, so sprechen nach Ansicht des Senats auch rechtliche Erwägungen dafür, eine Impfkomplikation auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Befunde von Ende Dezember 2009 als vorhanden anzusehen. Denn aus der Abgrenzung der STIKO ergibt sich nicht, dass eine unübliche Impfreaktion nicht auch einige Wochen nach der Impfung auftreten könnten: Die STIKO beschreibt nur übliche Impfreaktionen; was als unübliche Impfreaktion in Betracht bzw. nicht (mehr) in Betracht kommen kann, beschreibt sie hingegen nicht. Das BSG hatte zu einer Halbseitenlähmung – noch zum BSeuchG – entschieden, dass ein Anspruch nur in Betracht komme, wenn innerhalb der Inkubationszeit, die nach herrschender medizinischer Lehrmeinung drei Tage bis zu drei Wochen nach der Impfung betrage, eine übermäßige Impfreaktion vorgelegen habe (BSG Urteil vom 19.3.1986, Az.: 9a RVi 2/84, juris Rn. 12, vgl. auch BSG Urteil vom 17.12.1997, Az.: 9 RVi 1/95, juris Rn. 13). Derartige Inkubationszeiten waren für verschiedene Impfungen in den AHP angegeben, zu den hier in Frage stehenden Impfungen allerdings nicht. Zur Hepatitis A-Impfung war vielmehr in den AHP 2004 angegeben, dass Langzeiterfahrungen noch ausstünden. Aussagekräftige Inkubationszeiten, die einen klar definierten zeitlichen Zusammenhang verlangen, gibt es mithin nicht. Nach dem Verständnis des Senats hat auch für die Einschätzung von Prof. Dr. Z. die Frage, ob eine Impfkomplikation zeitlich unmittelbar nach der Impfung nachgewiesen ist, keine entscheidende Rolle gespielt. Er ist zwar darauf eingegangen, dass sich bei der Klägerin unmittelbar im Anschluss an die Impfung erste Symptome gezeigt hätten, er hat aber auch darauf hingewiesen, dass das Vollbild der Erkrankung sich in den anschließenden Wochen entwickelt habe, so dass durchaus ein nachvollziehbarer zeitlicher Zusammenhang bestehen könne. Dr. B. hat zudem im Gutachten von Latenzzeiten von über 40 Tagen für Impffolgen gesprochen.

2. Es kann auch angenommen werden, dass bei der Klägerin eine hinreichend definierte dauerhafte gesundheitliche Schädigung (CFS) vorliegt. Dies kann ausgeschlossen sein und damit der Gewährung von Entschädigungsleistungen entgegenstehen, wenn trotz aller diagnostischen Bemühungen keine weitere Klarheit über die Art der Krankheit zu gewinnen ist und es so für einen wissenschaftlichen Meinungsstreit über ihre Ursachen an jeglicher Grundlage fehlt (vgl. BSG Urteil vom 12.12.1995, Az.: 9 RV 17/94, juris Rn. 15). Letzteres ist hier aber nicht der Fall.

Zwar könnten gerade die Äußerungen des von der Klägerin benannten Gutachters Dr. B. in die Richtung deuten, dass bei der Klägerin kein hinreichend definiertes Krankheitsbild vorliegt. Die Äußerungen von Dr. B. waren insoweit zunächst kaum eindeutig. Hatte er zunächst im Gutachten ausgeführt, der Zustand der Klägerin erfülle nicht die Kriterien „einer bekannten definierten Krankheit“, so hat er dann in einer zweiten ergänzenden Stellungnahme – auf konkrete Nachfrage der Klägerin – erläutert, die Kriterien reichten für die Feststellung eines CFS aus, und daran auch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG festgehalten.

Die Diagnose CFS wurde allerdings schon zuvor von verschiedenen Ärzten gestellt, u.a. auch von Prof. Dr. Sch., die im Hinblick auf die Erkrankung wohl als spezialisiert gelten kann. Der Gerichtsgutachter Prof. Dr. Z. hat zwar eine eigene Diagnostik nicht durchgeführt, hat aber die bereits vorliegenden diagnostischen Daten für ausreichend gehalten und ist ebenfalls vom Vorliegen eines CFS ausgegangen. Angesichts der Nennung der Erkrankung in den VMG (Teil B Ziffer 18.4), dem ICD 10 (G93.3) und dem ICD 11 (8E49) kann wohl auch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Erkrankung nicht anerkannt sei (so noch LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 30.1.2008, Az.: L 7 VI 11/50, juris Rn. 128).

3. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (§ 61 Satz 1 IfSG) der Impfung für die Entstehung des bei der Klägerin diagnostizierten CFS kann der Senat jedenfalls nicht feststellen. Es müsste dafür mehr für als gegen die Kausalität sprechen; dies ist nicht der Fall. Zwar haben alle Gutachter im vorliegenden Verfahren den Kausalzusammenhang (mindestens) für möglich gehalten; die bloße Möglichkeit reicht nach § 61 Satz 1 IfSG aber nicht aus. Es gibt weder ein allgemein akzeptiertes wissenschaftliches Erklärungsmodell (a) noch ausreichende epidemiologische Daten (b) für den Zusammenhang.

a) Ein allgemein akzeptiertes wissenschaftliches Erklärungsmodell für einen Zusammenhang zwischen Impfung und CFS gibt es nicht.

Alle im vorliegenden Verfahren beauftragten Gutachter gehen davon aus, dass die Pathogenese des CFS nicht geklärt ist; die Ursache der Erkrankung ist also letztlich unklar, auch wenn es Vermutungen gibt, dass (auch) Infektionskrankheiten für die Entstehung ursächlich sein könnten, was wiederum zu der Vermutung führen kann, dass auch Impfungen als Ursache in Frage kommen (vgl. Knuf/Z., Impfungen: Ängste und Mythen, Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 10/2019, 15, 19). Auch das PEI hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass die Ursache für das CFS unklar sei; es gebe verschiedene Hypothesen, von denen keine bislang bestätigt worden sei.

Auch das im Gutachten von Dr. Ha., das im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger erstellt und von der Klägerin in das vorliegende Verfahren im Wege des Urkundsbeweises eingeführt wurde, als Kausalitätsbeleg angeführte ASIA-Syndrom ist als Nachweis für einen Ursachenzusammenhang am Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend. Prof. Dr. Z./Dr. Ko. haben im Gutachten aus dem Jahr 2015 zwar – ungeachtet der unklaren Ätiologie des CFS – ausgeführt, dass ein Zusammenhang zwischen Infektionen und nachfolgend aufgetretenen chronischen Erkrankungen gut bekannt sei und es unbestritten scheine, dass virale Infektionen auch eine Rolle bei der Entstehung des CFS spielen könnten. In diesem Zusammenhang haben sie im Gutachten auch auf die von der Klägerin angeführten wissenschaftlichen Arbeiten verwiesen (Seite 16); die Einschätzung, ob die durchgeführte Impfung möglicherweise ein Stimulus für die Erkrankung sei, die zuvor bereits vorhanden gewesen sei, sich jedoch nicht nach außen hin sichtbar manifestiert habe, oder ob sie gar neu aufgetreten sei, haben sie aber auch in Ansehung dieser Veröffentlichungen als „spekulativ“ angesehen. Das ASIA-Syndrom, zu dem es erste Veröffentlichungen bereits im Jahr 2010 gab und das die Bedeutung von Adjuvantien hervorhebt, haben sie in diesem Zusammenhang gar nicht diskutiert. In einer neueren Veröffentlichung, an der Prof. Dr. Z. beteiligt ist, wird vielmehr darauf hingewiesen, dass ASIA zwar in der wissenschaftlichen Literatur stark diskutiert worden sei. Es stelle zunächst nur ein primär theoretisches Konzept dar. Es sei nicht gelungen, den hypothetischen Überlegungen formal-wissenschaftliche Evidenz für einen kausalen Zusammenhang von Impfstoffen und Autoimmunphänomen vorzulegen (Knuf/Z., Impfungen: Ängste und Mythen, Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 10/2019, 15, 19). Auch Dr. B. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auf den nicht gesicherten Pathomechanismus des CFS hingewiesen. Um ein allgemein akzeptiertes Modell für den Zusammenhang zwischen Impfung und CFS handelt es sich somit auch bei dem ASIA-Syndrom nicht.

b) Auch epidemiologische Daten, die statistisch den Zusammenhang zwischen den hier durchgeführten Impfungen und CFS belegen, gibt es nicht. Das PEI hat auf die Anfrage des Senats mitgeteilt, dass aufgrund der vorhandenen Daten nicht die Schlussfolgerung gezogen werden könne, dass ein erhöhtes Risiko für CFS nach Impfung mit aluminiumadjuvanshaltigen Totimpfstoffen (darunter auch Havrix 1440) bestehe. Es sei auch kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für CFS nach Impfung gegen die pandemische Influenza A gefunden worden. Soweit Dr. Ha. unter Bezugnahme auf das PEI eine andere Position vertreten hatte, hat sich dies somit durch die Anfrage beim PEI nicht bestätigen lassen; der Ansatz von Dr. Ha., wonach es nicht statthaft sei, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer dokumentierten Impfung und einem ätiologisch unklaren unerwünschten Ereignis (…) wegen fehlender „harter“ Daten zu verneinen, stößt zudem schon im Ansatz auf Bedenken; es geht im Gerichtsverfahren darum, einen Kausalzusammenhang zu beweisen; es geht nicht darum, zu beweisen, dass er nicht ausgeschlossen ist. Auch die von der Klägerin selbst als Expertin benannte Prof. Dr. Sch. (Charite D-Stadt) hat in einer vom behandelnden Arzt der Klägerin eingeholten Stellungnahme vom 15.11.2013 ausgeführt, dass es zur Impfung als Auslöser von CFS bislang keine validen epidemiologischen Daten gebe; in der Literatur finde sich nur ein Einzelfallbericht zu CFS nach Hepatitisimpfung sowie zwei Studien, dass Influenzaimpfungen bei CFS-Patienten gut vertragen würden. Schließlich hatten Prof. Dr. Z./Dr. Ko. darauf verwiesen, dass in der medizinischen Literatur bisher kein einziger Fall eines CFS nachweislich mit einer Impfung in Zusammenhang gebracht worden sei (Gutachten Seite 13). Auch Dr. Ste. hatte bei einer Literaturrecherche keine Publikation gefunden, die einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Pandemriximpfung und dem Auftreten eines Fatiguesyndroms hergestellt hätte, lediglich eine Fallbeschreibung, bei der eine Brasilianerin nach Impfung gegen pandemische lnfluenza A/H1N1 (Hersteller nicht genannt) eine Symptomatik bestehend aus Myalgien, Myositiden, Muskelschwäche, Arthralgien und chronischer Fatiguesymptomatik (u.a.) entwickelt habe. Soweit die Klägerseite auf eine kleine Studie aus dem Jahr 2012 (Brenau) verweist, die belege, dass die Influenza-Impfung mit einer Immundysfunktion und einer Gesundheitsverschlechterung nach 28 Tagen bei den CFS-Patienten einhergegangen sei, sagt dies nichts über die Auslösung der Krankheit und über Langzeitfolgen.

c) Dr. B., der in seinem Gutachten als einziger der im vorliegenden Entschädigungsverfahren beauftragten Sachverständigen einen Ursachenzusammenhang trotz des von ihm verneinten pathogenetischen Konzepts für Impfschäden für bewiesen gehalten hat (unter Bezugnahme auch auf Dr. Ha.), hat dementsprechend auch wesentlich mit der von ihm angenommenen Abwesenheit sonstiger Ursachen argumentiert, was aber – angesichts der Unklarheit über die Entstehung der Krankheit – für einen Nachweis nach dem Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht (in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat Dr. B. dann auch davon gesprochen, dass ein Zusammenhang mit dem auslösenden Ereignis unter der Voraussetzung des zeitlichen Zusammenhangs und der Häufung der Fälle „vermutet“ werde).

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verursachung des CFS durch die Impfungen gegen Schweingrippe und Hepatitis A kann mithin nicht festgestellt werden.

II. Auch nach den abgeschwächten Beweisanforderungen im Rahmen der „Kann-Versorgung“ des § 61 Satz 2 IfSG sind die Voraussetzungen für die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht erfüllt.

Nach Rechtsprechung, einschlägiger Literatur und konkretisierenden Normen gilt dabei Folgendes:

Die Regelung des § 61 Satz 2 IfSG entspricht der des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG, so dass die dafür entwickelten Grundsätze auch für § 61 Satz 2 IfSG gelten (Meßling in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Auflage 2012, § 61 IfSG Rn. 21).

Die wesentlichen rechtlichen Maßstäbe ergaben sich seit dem 1.1.2009 aus Teil C Ziffer 4 der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) - Versorgungsmedizinische Grundsätze (VMG) (Meßling aaO). In der seit dem 20.12.2019 geltenden aktuellen Fassung der Anlage zu § 2 VersMedV (die sich – soweit hier relevant – zwar im Wortlaut, aber inhaltlich nicht wesentlich von der Vorgängerfassung unterscheidet, dazu später) heißt es nunmehr unter Teil C Ziffer 4 u.a.: Lässt sich die Frage des ursächlichen Zusammenhangs (…) nicht bejahen oder verneinen, kann in Ausnahmefällen eine Gesundheitsstörung im Sinne der Kann-Versorgung als Schädigungsfolge anerkannt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache der festgestellten Gesundheitsstörung in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (Teil C Ziffer 4.2 VMG). Eine Kann-Versorgung kommt nur dann in Betracht, wenn die einer Gesundheitsstörung zugrundeliegende Ursache (Ätiologie) nicht durch den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert ist und wenn fundierte wissenschaftliche Arbeitshypothesen einen ursächlichen Zusammenhang begründen. Eine von dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft abweichende subjektive Auffassung eines einzelnen Wissenschaftlers oder einer einzelnen Wissenschaftlerin ist nicht mit Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft gleichzusetzen (Teil C Ziffer 4.3 VMG).

Allein die theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs reicht für die Kann-Versorgung nicht aus (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.11.2011, Az.: L 4 VJ 2/10, juris Rn. 40). Denn die Verwaltung ist nicht ermächtigt, bei allen Krankheiten ungewisser Genese immer die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs – die so gut wie nie belegt werden kann – ausreichen zu lassen (BSG 10.11.1993, Az.: 9/9a RV 41/92, juris Rn. 19). Es muss nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, sondern nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und der festgestellten Erkrankung sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995, Az.: 9 RV 17/94, juris Rn. 14). Die Fakten müssen – in Abgrenzung zu den Voraussetzungen der Pflichtversorgung – zwar (noch) nicht so beschaffen sein, dass sie bereits die überwiegende medizinische Fachwelt überzeugen. Die niedrigere Schwelle zur Kann-Versorgung ist daher bereits dann überschritten, wenn die vorgelegte Begründung einschließlich der diese belegenden Fakten mehr als die einfache Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs belegt (BSG Urteil vom 17.7.2008, Az.: B 9/9a VS 5/06 R) und damit zumindest einen eingeschränkten Personenkreis der Fachmediziner überzeugt („Mindermeinung“) (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.11.2011, Az.: L 4 VJ 2/10, juris Rn. 40 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 12.12.1995, Az.: 9 RV 17/94 und Urteil vom 17.7.2008, Az.: B 9/9a V 5/06 R). In seiner ständigen Rechtsprechung hat das BSG diesen Maßstab auf die „gute Möglichkeit“ eingeschränkt (BSG Urteil vom 17.7.2008, Az.: B 9/9a VS 5/06 R, juris Rn. 19). Bei der „guten Möglichkeit“ können durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben. Der Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (BSG Urteil vom 17.4.2013, Az.: B 9 V 1/12 R, juris Rn. 35 zu § 15 Satz 1 KOVVfG).

Soweit der Beklagte geltend macht, die „gute Möglichkeit“ sei nur für den Zusammenhang zwischen Impfkomplikation und (dauerhaftem) Gesundheitsschaden ausreichend und für den Zusammenhang zwischen Impfung und Impfkomplikation müsse im Hinblick auf einen ansonsten zu weitgehenden Anwendungsbereich der „Kann-Versorgung“ eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben sein, hält der Senat dies allerdings für zweifelhaft. Der Wortlaut des Gesetzes und der VMG ist insoweit nicht eindeutig. Vielmehr ist nach dem Wortlaut des § 60 Satz 1 IfSG der Wahrscheinlichkeitsmaßstab unmittelbar nur für den Zusammenhang zwischen Schädigung und Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) geregelt (ähnlich in § 1 Abs. 3 BVG), so dass das BSG zunächst auch für die haftungsbegründende Kausalität den Vollbeweis verlangt hatte (BSG Urteil vom 24.9.1992, Az.: 9a RV 31/90). Erst später hat es dies mit dem Hinweis korrigiert, dass für eine Differenzierung des Beweismaßstabs auf den verschiedenen Stufen (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) kein Bedürfnis bestehe, ein unterschiedlicher Beweisgrad zu Problemen bei der Beurteilung des gesamten Kausalverlaufs führe und zur Festlegung in der Frage der - umstrittenen - Abgrenzung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität zwinge (BSG Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R, juris Rn. 19). Im Zusammenhang mit der Kann-Versorgung hat das BSG dann zwar in einer jüngeren Entscheidung Unterschiede beim Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei einer viergliedrigen Kausalkette gemacht und nur für den Zusammenhang zwischen erster und weiterer Schädigungsfolge (dem vorletzten und letzten Glied der Kausalkette) den Beweismaßstab der „guten Möglichkeit“ genügen lassen (BSG Urteil vom 17.7.2008, Az.: B 9/9a VS 5/06 R, juris Rn. 19). Dies dürfte allerdings darauf zurückzuführen sein, dass sich nur bei diesem Glied der Kausalkette die Frage eines abgesenkten Beweismaßstabs stellen konnte, weil ansonsten keine Ungewissheit in der wissenschaftlichen Beurteilung bestand. Der Senat hält es demnach – entsprechend der Überlegungen des BSG – für naheliegend, auf den abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab zurückzugreifen, soweit dies aufgrund von Ungewissheiten in der wissenschaftlichen Beurteilung angezeigt ist. Eine zu weitgehende Ausweitung der Haftung der Versorgungsträger kann etwa dadurch vermieden werden, dass ein nicht zu großer zeitlicher Abstand zwischen der Einwirkung schädigender Faktoren und dem Leidensbeginn gefordert wird (vgl. Rösner, Anerkennung von Leiden unbekannter Ursache in § 1 Abs. 3 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz, MedSach, 2019, 5, 8). Im vorliegenden Fall gilt dies umso mehr deshalb, weil sich ansonsten auch die vom BSG angeführten Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben würden; in dem Krankheitsverlauf ist keine Zäsur ersichtlich, so dass eine Abgrenzung zwischen unüblicher Impfreaktion und Langzeitfolgen auf Schwierigkeiten stoßen würde.

Auch nach diesem Maßstab kann aber im vorliegenden Fall die „gute Möglichkeit“ für den Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und der Erkrankung nicht festgestellt werden. Zwar gibt es theoretische Erklärungsansätze, die auf einen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Erkrankung der Klägerin hindeuten könnten (1.). Auch für diese Erklärungsansätze fehlt aber eine statistische Untermauerung für einen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung; für eine auch nur schwache Korrelation zwischen Impfung und Erkrankung fehlen ausreichende Anhaltspunkte (2.). Die bloße Abwesenheit von sonstigen Ursachen hält der Senat für die Annahme der „guten Möglichkeit“ nicht für ausreichend (3.).

1. Theoretische Erklärungsmuster für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Impfung und der Erkrankung CFS/ME sind zwar im Ansatz vorhanden.

Prof. Dr. Z./Dr. Ko. haben einen Zusammenhang zwischen Infektionen und nachfolgend aufgetretenen chronischen Erkrankungen beschrieben und in den Raum gestellt, dass auch Impfungen gegen die Infektionskrankheiten die entsprechenden chronischen Erkrankungen triggern könnten (vgl. hierzu auch Knuf/Z., Impfungen: Ängste und Mythen, Ärzteblatt Rheinland-Pfalz, 10/2019, 15, 19). Ähnlich hat sich wohl auch Dr. B. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG geäußert.

Im seinem Gutachten hatte sich Dr. B. zur Begründung des Zusammenhangs spezieller auf das sog. ASIA-Syndrom (Autoimmune Syndrome Induced by Adjuvants) gestützt und sich dazu wiederum auf das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Dr. Ha. berufen. Dabei werden Erkrankungen unklarer Ätiologie nach adjuvantierten Impfungen zu einem Syndrom zusammengefasst. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf mögliche Parallelen zur Narkolepsie, bei der ein statistischer Zusammenhang zwischen Impfung mit Pandemrix und Auftreten der Erkrankung festgestellt werden konnte. Hingewiesen wird außerdem darauf, dass der gleichzeitige Einsatz mehrerer Impfstoffe mit Adjuvantien risikoerhöhend sei. Hinzu komme als risikoerhöhend vorliegend noch der quecksilberhaltige Zusatzstoff Thiomersal in dem Impfstoff Pandemrix.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang allerdings darauf, dass Prof. Dr. Z./Dr. Ko. im Zusammenhang mit ihrem Erklärungsansatz und der Kausalitätsfrage letztlich selbst das Wort „spekulativ“ benutzt haben. Dies lässt schon Zweifel daran aufkommen, dass es sich um einen hinreichenden theoretischen Ansatz im Sinne der „Kann-Ver¬sorgung“ handelt.

Das von Dr. B. durch Bezugnahme auf Dr. Ha. herangezogene ASIA-Syndrom spielt im wissenschaftlichen Diskurs zwar wohl mehr als nur die Rolle einer Außenseiterposition (vgl. Knuf/Z., Impfungen: Ängste und Mythen, Ärzteblatt Rheinland-Pfalz, 10/2019, 15, 19). Dem Gutachten von Dr. Ha. selbst kann aber schon kaum entnommen werden, dass es sich bei dem ASIA-Syndrom um eine hinreichende wissenschaftliche Arbeitshypothese im Sinne des § 61 Satz 1 IfSG für die Erkrankung CFS handelt. Dr. Ha. führt aus, es gehe um Krankheitsbilder, die einen autoimmun-entzündlichen Hintergrund hätten und nach adjuvantierten Impfungen aufträten; häufig gehe es auch um nicht definierte Krankheitsbilder. Wenn es aber – wie hier – um ein in den einschlägigen Klassifikationssystemen definiertes Krankheitsbild wie CFS geht, so müsste als Beleg für einen Zusammenhang mit Impfungen zumindest statistisch eine gewisse Korrelation mit Impfungen angeführt werden, wenn es sich nicht nur um ein rein theoretisches Konstrukt handeln soll. Dass dies bei CSF möglich wäre, ist jedoch nicht ersichtlich – das PEI und auch Prof. Dr. Sch. konnten keine statistischen Fakten mitteilen; auch Dr. Ha. selbst hat solche statistischen Daten zu CFS nicht mitgeteilt, sondern sich stattdessen auf Einzelfälle berufen, die in seinem Sinn zu deuten seien (dazu später). Hinzu kommt, dass im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger gegen die von Dr. Ha. angenommene Relevanz des ASIA-Syndroms Bedenken erhoben worden waren – wohl gerade im Hinblick auf die Abgrenzbarkeit der vom ASIA-Syndrom beschriebenen Erkrankungen (Prof. Dr. G.). Dr. Ha. hat auf diese Bedenken Bezug genommen; statt aber darauf näher einzugehen, hat er – pauschal – auf neuere Veröffentlichungen zum ASIA-Syndrom verwiesen und ausgeführt, dass das Gutachten von Prof. Dr. G. nicht geeignet sei, den kausalen Zusammenhang zu verneinen. Seine Ausführungen erscheinen insoweit wenig tragfähig; der vom Senat geäußerten Erwägung, zwecks weiterer Aufklärung Unterlagen des Unfallverfahrens beizuziehen, ist die Klägerin entgegengetreten.

2. Auf weitere Ermittlungen zu diesem Punkt konnte der Senat aber verzichten. Denn selbst wenn man die genannten Erklärungsansätze im Ansatz als in der Fachwelt diskutierte wissenschaftliche Arbeitshypothesen für einen ursächlichen Zusammenhang im Sinne von Teil C Ziffer 4.3 VMG für ausreichend hält, fehlt es an der von Teil C Ziffer 4.3 VMG (in der aktuellen Fassung) weiter geforderten hinreichenden Fundierung dieser Ansätze. Diese verlangt in der Regel eine statistische Untermauerung für einen Zusammenhang zwischen Impfung und der Erkrankung – hier CFS (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995, Az.: 9 RV 17/94, juris Rn. 14). Zwar wurde in der zuvor geltenden Fassung der VMG der Begriff „fundiert“ noch nicht verwendet; die jetzige Formulierung entspricht aber der Rechtsprechung des BSG, die auch zuvor in der Regel eine statistische Untermauerung verlangt hatte; von einer Änderung der Rechtslage kann daher durch die Neufassung nicht ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall fehlen für eine auch nur schwache Korrelation zwischen Impfung und Erkrankung ausreichende Anhaltspunkte.

Der Senat hat hierzu Auskünfte beim PEI eingeholt, die zu diesem Ergebnis führen. Das PEI konnte keinen statistischen Zusammenhang zwischen den Impfungen und der Erkrankung mitteilen. Dr. Ste. hat über einen Einzelfall nach einer Impfung gegen pandemische Influenza A berichtet, wobei der Impfstoff unbekannt war. Prof. Dr. Sch. hat einen Fall erwähnt, in dem es einen Zusammenhang zwischen Hepatitis A-Impfung und CFS gegeben habe. Einzelfälle sind allerdings nicht geeignet, einen systematischen Zusammenhang zwischen einer definierten Krankheit und einer Impfung zu belegen. Den anderweitigen Ausführungen von Dr. Ha. fehlt insoweit die Grundlage. Soweit er zum Beleg seines theoretischen Ansatzes viele – nicht näher konkretisierte – komplexe und seltene Einzelfälle vom pathophysiologischen Verlauf bei der Betrachtung zusammenfassen möchte, so setzt er bei der Deutung der Daten sein theoretisches Modell bereits voraus; dies birgt die Gefahr des Zirkelschlusses. Der Ansatz erklärt nicht, warum sich statistisch keine Korrelation zwischen den in Fragen stehenden Impfungen und einer in den diagnostischen Klassifikationssystemen definierten Erkrankung – hier CFS – zeigt.

Daran ändert auch der Einwand der Klägerseite nichts, dass entsprechende Fälle wohl existierten, aber nicht gemeldet würden. Es kann offen bleiben, ob es sich bei der Behauptung um mehr als Spekulationen handelt; auch wenn Ärzte über Meldepflichten nicht ausreichend informiert sein sollten oder die Erkrankung CFS oft gar nicht zutreffend diagnostiziert werden sollte, ändert dies nichts daran, dass es keinen statistischen Nachweis über den Zusammenhang zwischen Impfung und der Erkrankung gibt (die von der Klägerseite angenommene und den Ärzten unbekannte unmittelbare Meldepflicht von Ärzten gegenüber dem PEI besteht nach Kenntnis des Senats im Übrigen auch nicht; zu den Meldepflichten der beteiligten Stellen vgl. Epidemiologisches Bulletin Nr. 34/2020, Seite 34). Zum anderen lassen die Darstellungen des PEI darauf schließen, dass es durchaus möglich ist, einen statistischen Zusammenhang zwischen der Erkrankung CFS und potentiellen Ursachen herzustellen, wenn es ihn gibt: das PEI hat darauf hingewiesen, dass in einer in Norwegen durchgeführten datenbankbasierten Kohortenstudie die Infektion mit pandemischer Influenza A mit einem mehr als 2-fach erhöhten Risiko für CFS/ME assoziiert gewesen ist, während kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für CFS/ME nach Impfung gegen pandemische Influenza A gefunden wurde.

Auch aus der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgehobenen Anerkennung von Narkolepsie als Impfschaden ergibt sich für das vorliegende Verfahren nichts. Im Hinblick auf Parallelen zur Narkolepsie hat das PEI die Auffassung vertreten, dass es sich um eine andere Krankheitsentität handele. Erkenntnisse über das Auftreten von Narkolepsie sind demnach nicht ohne weiteres auf CFS übertragbar. Außerdem sind die bei Narkolepsie im Anschluss an Impfungen nachgewiesenen statistischen Besonderheiten bei CFS gerade nicht bekannt (s.o.).

Zu dem von Dr. B. hervorgehobenen Einsatz mehrerer Impfstoffe und einer eventuellen Risikoerhöhung ist schließlich darauf hinzuweisen, dass noch in den AHP 2004 (Ziffer 56) ausgeführt war, dass die gleichzeitige Anwendung von Impfstoffen (auch als Kombinationsimpfstoff) nach den bisherigen Erfahrungen kein größeres Impfrisiko als die Einzelimpfungen hätten. Untersuchungen, die konkret – insbesondere für die vorliegende Konstellation – etwas anderes belegen würden, sind nicht bekannt, so dass es letztlich keine hinreichend gesicherte Grundlage gibt, von einem anderen Wissensstand auszugehen. Auch Dr. B. merkt hierzu an, für den konkreten Fall mit der parallelen Verwendung dreier potentiell immuntoxischer Stoffe fehle jede Erfahrung.

3. Fehlt es demnach an einer statistischen Untermauerung für den Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung, so kann der Senat die erforderliche „gute Möglichkeit“ für den Zusammenhang nicht feststellen. Die Gutachter Dr. Ste. und Prof. Dr. Z./Dr. Ko. haben jeweils von Plausibilität und Möglichkeit gesprochen. Dies erscheint dem Senat auch zutreffend. Die darüber hinausgehende „gute Möglichkeit“ lässt sich aber nicht begründen. Die bloße Abwesenheit anderer bekannter Ursachen für die Erkrankung ist nicht ausreichend, zumal die Ätiologie der Erkrankung nicht geklärt ist; allein eine zeitliche Koinzidenz reicht nicht. Angesichts der ungeklärten Ätiologie der in Frage stehenden Erkrankung sieht der Senat auch keinen hinreichenden Grund, ausnahmsweise von einer statistischen Untermauerung des möglichen Ursachenzusammenhangs abzusehen; die Basis für eine solche Beurteilung erscheint dem Senat unter solchen Umständen ohne statistische Daten derzeit als zu schmal. Weitere Ermittlungsansätze waren insoweit für den Senat nicht mehr ersichtlich.

C. Der geltend gemachte Anspruch besteht nach alledem nicht. Der Berufung war stattzugeben und die Klage war abzuweisen.

D. Für die vom Beklagten angeregte Beiladung des zuständigen Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung hat der Senat keinen Anlass gesehen.

Ein Fall notwendiger Beiladung liegt nicht vor. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen (§ 75 Abs. 2 SGG). Keine der beiden Alternativen des § 75 Abs. 2 SGG ist hier einschlägig.

Das SG hat den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ein CSF als Impfschaden im Sinne des IfSG anzuerkennen; dagegen ist nur der Beklagte in Berufung gegangen, so dass im Berufungsverfahren auch nur über die Anerkennung eines Impfschadens im Sinne des IfSG zu entscheiden ist. Diese Entscheidung kann nicht „nur einheitlich“ gegenüber dem Beklagten und dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ergehen. Im Gegenteil kann – aufgrund der Möglichkeit der Anerkennung eines Impfschadens im Wege der Kann-Versorgung – die Feststellung eines Impfschadens im Sinne des IfSG in Betracht kommen, wenn Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die eine Kann-Versorgung nicht kennt – ausscheiden. Für eine Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG gibt es mithin keine Grundlage.

Auch für eine Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG fehlen die Voraussetzungen. Abgesehen davon, dass nur die Anerkennung eines Impfschadens und keine konkreten Ansprüche im Raum stehen, wären auch die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung im Hinblick Ansprüche auf Versorgungsleistungen nicht erfüllt. Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung kommen nicht nur „bei der Ablehnung“ von Ansprüchen gegenüber dem Beklagten in Betracht. Vielmehr wären die Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung vorrangig (§ 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 65 BVG); sie bestehen also ggf. unabhängig von den im vorliegenden Verfahren in Frage stehenden Ansprüchen nach dem IfSG.

Auch für eine einfache Beiladung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung hat der Senat keinen Anlass gesehen. Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen (§ 75 Abs. 1 SGG). Die Interessen des Unfallversicherungsträgers könnten allenfalls dann berührt sein, wenn im vorliegenden Verfahren eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen Impfung und gesundheitlicher Schädigung im Raum gestanden hätten; dann käme der Unfallversicherungsträger als vorrangig verpflichteter Leistungsträger in Betracht. Ernsthaft in Betracht gekommen ist aber – wie oben dargestellt – im vorliegenden Verfahren nur eine Kann-Versorgung, durch die der Unfallversicherungsträger nicht in seinen Interessen betroffen wird. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 61 Satz 1 IfSG ist aus Sicht des Senats klar zu verneinen.

E. Auch eine Beiladung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde im Hinblick auf die in § 60 Satz 2 IfSG geregelte Zustimmung war nicht veranlasst; dies wäre das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie gewesen: Landesbehörden im Saarland sind die obersten Landesbehörden, die Landesmittelbehörden, die Landesämter und die unteren Landesbehörden, oberste Landesbehörden sind die Landesregierung, der Ministerpräsident und die Ministerien (§ 2, 3 Landesorganisationsgesetz).

Eine Beteiligung zweier Landesbehörden am Verfahren war hier nicht erforderlich. Zwar sind im Saarland Behörden fähig, am Verfahren beteiligt zu sein (§ 70 Nr. 3 SGG in Verbindung mit § 9 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes); die Beteiligung zweier Behörden am Verfahren ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen. Die beiden in Frage kommenden Behörden handeln hier aber letztlich beide für das C. so dass kein Grund besteht, das Saarland zweifach am Verfahren zu beteiligen; dies wäre allenfalls in Konstellationen angezeigt, in denen die Zulässigkeit eines In-Sich-Prozesses zwischen den verschiedenen Behörden eines Rechtsträgers bejaht wird (vgl. BSG Beschluss vom 28.10.1994, Az.: 9 RV 17/94). Letzteres kommt hier aber nicht in Betracht.

F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

G. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) waren für den Senat nicht ersichtlich. Zu der hauptsächlich umstrittenen Frage der „Kann-Versorgung“ liegt Rechtsprechung des BSG vor, so dass eine Klärungsbedürftigkeit von Grundsatzfragen nicht zu erkennen ist. Der Senat geht auch davon aus, dieser Rechtsprechung gefolgt zu sein, so dass für den Senat auch unter diesem Gesichtspunkt ein Zul